Deine Interpretation schafft deine Welt.

Von Epiktet gibt es ein so wahres Zitat:

“Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Urteile über die Dinge.”

Lass uns das doch mal etwas genauer anschauen: Wenn uns etwas passiert, sagen wir mal, wir hauen einen Rechenfehler in einen wichtigen Bericht, dann ist es nicht der Rechenfehler der darüber entscheidet wie es uns damit geht, sondern das was wir darüber denken.

Wenn wir sofort als Reflex im Kopf haben, “oh nein, ich Trottel. So einen blöden Fehler zu machen kann auch nur mir passieren. Was die anderen da wohl wieder denken werden von mir.”

Das Resultat dieser Gedanken ist ein negatives Gefühl über uns selbst. Wir machen uns damit fertig. Das produziert Gefühle, die uns hinunterziehen. Wir interpretieren, was andere über uns denken könnten und haben Angst, dass sie uns negativ beurteilen. Dass sie sich vielleicht sogar über uns lustig machen und dass wir damit in den Augen anderer weniger wert sind für die Aufgaben die wir erledigen.

Tatsächlich ist jedoch nur eines passiert, wir haben einen Rechenfehler gemacht, der sich korrigieren lässt. Sonst ist nichts passiert. Keine Sache, die ein negatives Urteil von uns selbst, über uns selbst rechtfertigt und schon gar kein Grund die Gedankenmaschinerie in Gang zu setzen, was andere wohl über uns denken könnten. Diese Interpretationen sind immer Ratereien. Wir können nie wissen, was andere über uns denken.

Was allerdings passiert ist, dass wir aufgrund unserer Gedanken, unser Verhalten nach außen ändern. Und das ist es was von außen wahrgenommen werden kann. Wir tragen damit unsere Gedanken gewissermaßen nach außen.

Photo by Geert Pieters on Unsplash

Das was wir denken entscheidet wie wir eine Situation erleben

Trotzdem ist es einfach nur ein Rechenfehler gewesen, sonst nichts.

Im schlimmsten Fall jedoch tragen wir diese Gedanken nicht nur an dem Tag im Kopf herum, an dem es uns passiert ist, sondern es beschäftigt uns am Abend auch noch, wir finden vielleicht nicht so gut in den Schlaf hinein, träumen noch davon und am nächsten Tag, wenn es uns einfällt, krümmen wir uns fast vor innerlicher Pein, weil es uns so peinlich ist.

Doch dieser ganze Schmerz beruht nur darauf, wie wir denken, dass andere über uns denken. Wir geben damit unsere Emotionen vollkommen in die Hände anderer, die noch nicht einmal etwas davon wissen. Von außen betrachtet ist das vollkommen verrückt so etwas zu tun.

Unser daraus erfolgendes Verhalten ist von den Interpretationen bestimmt, die wir über ein Ereignis treffen, den Gefühlen die diese Interpretationen auslösen und damit meistens in keinster Weise angemessen dem ursprünglichen Vorfall.

Vielen Menschen fällt es noch nicht einmal auf, dass sie das tun. Es ist ein Reflex der tief in ihnen verankert ist. Es geschieht etwas und schon starten die Überlegungen wie andere das sehen könnten, welche Wirkung wir damit nach außen abgeben, wie andere über uns denken könnten und was das mit unserem Wert macht.

Diese Abhängigkeit nach außen ist absolut verrückt. Wir geben damit soviel von unserer Seelenruhe nach außen ab, was in keinster Weise sein muss.

Deine Interpretation entscheidet wie du dich fühlst

Es kostet uns Kraft und Energie, ständig diese Interpretationen im Kopf zu haben und es verändert unser Verhalten nach außen.

Wir lassen uns damit nicht von außen regieren, das ist ein Trugschluss den viele ziehen. Nein, wir regieren uns selbst mit den Interpretationen die wir in unserem Kopf entstehen lassen.

Da hat niemand die Hand im Spiel. Wir interpretieren jede Reaktion nach unseren Ängsten und Befürchtungen. Wir raten und meinen zu wissen, was andere über uns denken. Wir kommen überhaupt nicht auf die Idee, dass niemand sich so viele Gedanken über uns macht, wie wir uns selbst. Niemand. Jeder denkt hauptsächlich über sich nach.

Doch allein diese Erkenntnis führt nicht dazu, dass wir aufwachen und etwas ändern.

Das ABC-Modell kann deine Rettung sein

Dabei lässt es sich trainieren, sich ein anderes Verhalten und vor allem Denkverhalten anzugewöhenen.

Albert Ellis hat darauf basierend die Cognitive Based Therapie (CBT) entwickelt. Zu deutsch Kognitive Verhaltenstherapie.

Dieses Modell lässt sich sofort im eigenen Leben anwenden, ist absolut praxisnah und ermöglicht auch ohne Therapeuten sich von diesen auf Dauer krank machenden Denkweisen zu verabschieden.

Er entwickelte das sog. ABC-Modell.

A = activating events (aktivierendes Ereignis)
B = belief (Interpretation)
C = consequent emotion (daraus erfolgenden Emotionen)

Jede Situation die uns begegnet lässt, sich über das ABC Modell analysieren. Nehmen wir unser Beispiel von vorher mit dem Rechenfehler.

A ist der Moment in dem uns unser Rechenfehler auffällt
B ist die Interpretation die in dem Moment einsetzt. Dass wir negativ über uns denken, dass wir denken, dass andere uns für dumm halten können usw.
C sind die Gefühle die aus unseren Interpretationen erfolgen. Dass wir uns schlecht fühlen, als Versager, als Trottel, Angst haben über Urteile anderer usw.

Will man nun etwas daran ändern, dann ist B entscheidend. Denn was wir oben sehen, ist nur eine von vielen Interpretationen die sich aufgrund des Ereignisses daraus ziehen lässt.

Man könnte z.B. genauso gut denken “Oh gut, dass das aufgefallen ist, dann zieht sich das nicht durch und ich kann es noch korrigieren”. Wenn es bei diesem Gedanken bleibt, dann werde ich es korrigieren und das daraus erfolgende Gefühl könnte ein frohes sein, weil es einem aufgefallen ist. Es könnte auch neutral sein, weil wir dem Ereignis keine große Bedeutung beimessen.

Was sich durch Neu-Interpretationen ändern kann

Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für unser Leben, sind dagegen signifikant. Denn wir machen uns nicht mehr in dem Maß wie vorher Gedanken über andere, entwickeln keine Ängste, sind nicht stundenlang immer wieder mit dem Ereignis beschäftigt. Das führt dazu, dass unsere Energie bei uns bleibt, wir weiter konzentriert bleiben, unser Verhalten sich anderen gegenüber nicht ändert.

Was für ein Unterschied. Dieser Unterschied kann so enorm sein, wie Tag und Nacht. Und nein, das ist nicht übertrieben, denn wenn Menschen lernen sich neue Interpretationen zu schaffen, dann verändern sie damit oft ihren ganzen Gefühlshaushalt und damit ihr Leben.

Um der Frage nach der Wahrheit vorzugreifen: Jede Interpretation könnte richtig sein, doch wir wissen es nicht. Wir wissen es nicht und werden es nie wissen können.

Was andere denken und fühlen, werden wir nie mit Sicherheit wissen und es spielt auch keine Rolle. Was andere über mich denken, kann ich nicht beeinflussen. Es liegt außerhalb meines Einflusses.

Denk daran, dass wir nur auf zwei Dinge Einfluss haben: Auf unsere Gedanken und auf unsere Handlungen.

Wir haben es nicht in der Hand, wie andere uns einschätzen, uns beurteilen, über uns denken und mit uns umgehen. Das ist alles gefärbt von deren Erlebnissen, Erfahrungen und Lebenswelten. Wir haben darauf keinen Einfluss.

Daher ist alles was du denkst, das andere über dich denken, immer nur eine Illusion. Eben eine Interpretation.

Was bedeutet Interpretation eigentlich?

Der Wortsinn von Interpretation kommt von “deuten, auslegen” Wenn ein Künstler ein Werk von Beethoven spielt, dann spielt er seine Interpretation davon. Das was er denkt, was der Schöpfer des Stückes gemeint haben könnte. Doch es bleibt genau das: eine Deutung, eine Auslegung. Es kann keine absolute Wahrheit dabei geben.

Und selbst wenn wir einen Menschen fragen würden “was hast du über mich gedacht, als du den Rechenfehler gesehen hast?” kriegen wir eine Antwort, die all das widerspiegelt, was dieser Mensch für Erfahrungen und Erlebnissen hinter sich hat.

Es hat nichts damit zu tun, was du bist. Es ist seine Interpretation, doch es ist nicht die Wahrheit. Denn eine absolute Wahrheit gibt es hier nicht. Es gibt nur Sichtweisen die geprägt sind durch das Leben des jeweiligen Menschen.

Wenn du dir das wirklich klar gemacht hast, so dass dies tief in dich eingesunken ist, dann kannst du aufhören dir darüber Gedanken zu machen, was andere über dich denken könnten. Denn du kannst es nie wissen. Ganz davon abgesehen, dass du damit anderen Menschen die Herrschaft über dein Gefühlsleben gibst.

Trainiere neu zu interpretieren

Kehren wir nochmal zu diesem ABC-Modell von Ellis zurück.

Wenn du trainieren möchtest eine andere Gefühlsreaktion in dir selbst zu schaffen, wenn dir Ereignisse passieren, dann arbeite an verschiedenen Varianten von B.

Das macht richtig Spaß, wenn man mal damit anfängt. Trainieren kann man am besten mit Situationen die schon vorbei sind. Denn dann weißt du auch, wie du reflexhaft reagiert hast im Inneren und was in deinem Kopf los war.

Schau dir dazu das auslösende Ereignis an und frage dich, wie man hätte noch reagieren können:

  • Was wäre z.B. die gegenteilige Reaktion gewesen?
  • Oder wie hätte dein Großvater reagiert?
  • Was hätte sich ein buddhistischer Mönch gedacht?
  • Was wäre eine lustige Reaktion gewesen?

Spiel mit allen möglichen Interpretationen herum und du wirst sehen, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt wie man ein Ereignis deuten kann.

Eine deiner Fragestellungen sollte immer lauten:

Wie würde ein resilienter Mensch reagieren?

Also ein Mensch, der Widerstandskraft in sich trägt, um mit allem Unvorhergesehen umzugehen. Wie würde ein Stoiker reagieren ist eine weitere gute Idee sich als Option mit zu überlegen.

Was du damit im Trockendock machst, ist, verschiedene Interpretationen zu testen. Sie zu probieren wie einen Schluck Wein und zu schauen, was sie mit dir machen.

Spiel alles durch, inklusive Schritt C:

  • Wie fühlt sich der Gedanke in dir an?
  • Wie geht es dir damit?
  • Wie unterschiedlich ist es zu deiner bisherigen Interpretation?
  • Was ist dir dadurch möglich?
  • Wie kann sich damit dein Leben verändern?
  • Was kannst du damit in deinem Leben anders machen?

Wer schreibt, denkt tiefer nach

Es ist ebenfalls eine gute Idee, diese Übungen schriftlich zu machen. Schreib ABC auf. Mach dir Notizen zu allem was dir in jeder Stufe durch den Kopf geht. In jeder Spielart. Wenn es normalerweise Situationen sind, die dir lange Zeit zu schaffen machen, fange damit an und schreib alles auf zu jedem Buchstaben.

Spiele viele verschiedene Möglichkeiten durch mit den Fragestellungen von oben. Schreibe auch deine Antworten alle zu den Buchstaben auf. Und dann ziehe Resümee.

Schreib auf, was sich durch eine andere Interpretation deinerseits in deinem Leben ändern würde. Und glaub mir, es wird sich ganz viel zum Positivem ändern, wenn du lernst deine gewohnten Denkmuster zu unterbrechen und in eine neue Richtung zu lenken.

Das geht nicht von heute auf morgen. Das ist Üben und Trainieren. Und dich nicht aus der Bahn werfen lassen, wenn es von 10 Situationen 9 sind, die dich wieder reflexhaft reagieren lassen. Mach danach die Übungsrunde und schreib auf, was es sonst noch für Interpretationsmöglichkeiten gegeben hätte.

Wenn wir Menschen seit langer Zeit in einem gewohnten Denkmuster und Reaktionsmuster drinnen sind, dann braucht es eine Weile, bis wir das aufbrechen können. Doch nur weil es anfangs nicht gelingen mag, heißt das nicht, dass es sich nicht verändern lässt. Dranbleiben und weiter üben, ist die Devise.

Was das Üben in schriftlicher Form so unendlich wertvoll macht, ist die Erkenntnis, dass wir oft gar nicht wissen, wie man sonst noch hätte reagieren können. Wir sehen die anderen Möglichkeiten nicht, weil wir so verhaftet sind mit unseren Gewohnheiten. Da helfen die obigen Fragen sehr, aus der eigenen Denkschiene auszusteigen.

Wenn du das regelmäßig machst, dann wird es dir mit der Zeit immer leichter fallen, neue Interpretationen und damit Reaktionen in der Situation selbst hinzukriegen. Übung macht den Meister.

Mach dir in deinen Übungssequenzen immer wieder klar, was sich für dich positiv verändern kann. Das wird dir helfen dran zu bleiben und nicht aufzugeben.

Deine Interpretationen entscheiden über deine Gefühle. Also entscheide dich für Interpretationen die dir konstruktive Gefühle bescheren.

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