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Wir erleben unser Leben nicht danach, was uns passiert, sondern nachdem wie wir das was passiert bewerten und interpretieren.
Das was wir uns als Geschichten über unser Leben erzählen, ist unser Leben. Das kann von außen betrachtet etwas ganz anders sein, als das, was wir uns darüber erzählen.
Wie unsere Erzählungen aussehen hat häufig damit zu tun, was wir als Kinder für einen Blick auf das Leben kennengelernt haben. Durch Prägung, durch Beobachtung, durch Bestärkung, durch unser Gefühl, durch das Verhalten, das uns am meisten gebracht hat.
Dieser Blick auf das Leben färbt alles, was uns begegnet. Es ist jedoch nicht unbedingt so, dass uns bewusst ist welche Brille wir da tragen. Es ist ein bisschen so, wie dem Fisch das Wasser nicht bewusst ist, in dem er sich bewegt. In dem war er immer schon und das war immer schon da.
Photo by Andriyko Podilnyk on Unsplash
Unsere Brillen können verschiedenste Farben haben
Wenn wir eine Brille aufhaben, die unser Leben tendenziell eher mit einer Farbe färbt, die alles grau in grau erscheinen lässt, dann wird es weniger Freude geben in unserem Leben. Da wir diese Farbe nicht mit unser Brille sehen.
Die rosarote Brille kennt dagegen bestimmt auch jeder, bei der man alles angezuckert und quitschvergnügt wahrnimmt. Einen Zustand den man nicht sehr lange durch hält ;)
Das Interessante an unseren Brillen ist, dass wir sie wechseln können. Das geht aber erst, wenn uns überhaupt klar ist, dass wir eine Brille aufhaben, durch die wir die Welt betrachten, bewerten und interpretieren.
Unser Brille macht unsere Welt. Nicht die Welt macht unser Leben. Wie wir die Welt betrachten, macht unser Leben.
Wer jetzt grad schon Bedenken anmelden will “die ganze Zeit jetzt alles nur rosarot zu sehen, ist nicht realistisch und macht keinen Sinn” Das stimmt und auf das möchte ich gar nicht hinaus.
Mir ist heute am wichtigsten, dass dir wirklich klar, wird, dass du und deine Brille darüber bestimmen, wie du deine Welt um dich herum wahrnimmst. Wie du Ereignisse einstuft und was du über dich denkst.
Dein Selbstbild und du
Wir Menschen sind immer auf der Suche nach Bestätigungen unserer Selbstbildes und nehmen daher sogar Negatives in Kauf, wenn es unser Selbstbild bestätigt.
Das mag sich unglaublich anhören, doch Ehepartner, die sich selbst als nicht besonders liebenswert und wertvoll einschätzen, fühlen sich dann sicher, wenn ihr Partner bestätigt, dass sie ja eigentlich totale Versager sind.
Sie fühlen sich dann sicherer. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Verunsichert fühlten sich diese Menschen dann, wenn ihr Gegenüber ihnen positive Eigenschaften bescheinigt und diese unterschiedlichen Ehen scheinen auch nicht lange zu halten.
Wir sind auf der Suche nach Bestätigung unserer Selbstbildes. Wenn du also wissen willst, was du über dich denkst und welches Bild du von dir hast, dann nimm mal bewusster wahr und sei wie ein Arzt der eine Diagnose stellt, wie du mit dir umgehen lässt.
Sind die Menschen größtenteils nett zu dir, hilfsbereit, zuvorkommend, freundlich, zugänglich usw. Oder spielen negative Kommentare eine große Rolle dir gegenüber, unachtsames Verhalten, Unfreundlichkeit usw.
Auch wenn es dir nicht schmecken mag, du erlebst die Welt so, wie du über dich denkst.
Für uns Menschen ist es am schwierigsten Diskrepanzen auszuhalten. Situationen die nicht uns entsprechen und in denen wir uns in Frage gestellt fühlen. Wenn unser Selbstbild nicht bestätigt wird.
Passendes Studienbeispiel dazu: Übergewichtige Menschen vertrauen schlanken Ärzten sehr viel weniger wenn es um das Thema Ernährung geht und wechseln sehr häufig aus diesem Grund zu einem anderen Arzt.
Es ist für sie schwer auszuhalten hier ein Gegenüber zu haben, dass so gar nicht mit dem eigenen Selbstbild übereinstimmt.
Weißt du, welche Brille du trägst?
Vieles davon haben wir in keinster Weise klar auf dem Schirm. Wir sind wie der bereits erwähnte Fisch im Wasser, für den das Wasser nicht vorhanden ist, weil das seine Lebenswelt ist.
Doch wenn wir beginnen darauf zu achten, mit welchen Gedanken wir Ereignisse in unserem Leben interpretieren, wie wir auf andere reagieren, wie andere auf uns reagieren, können wir unsere Brillen sichtbar machen.
Diese Geschichten, die wir uns selbst erzählen, sind der ausschlaggebende Faktor, wie wir uns sehen. Wie wir unsere Zukunft sehen, wie wir unsere Chancen sehen, wie wir uns Leben und unseren Wert einschätzen.
Menschen verbittern sehr häufig, weil sie sich vom Leben enttäuscht fühlen. Sie sind enttäuscht, weil es nicht so gelaufen ist, wie sich das vorgestellt hatten. Weil vielleicht jemand anderer mehr Glück hatte als sie selbst und etwas bekommen hat, was sie sich eigentlich gewünscht hätten.
Plakativ gesprochen steckt hier häufig die Brille “typisch, dass alle anderen wieder Glück haben, nur ich nicht” dahinter. Oder auch die Variante “immer hab ich Pech im Leben, das ist einfach nicht fair”
Diese Brillen machen handlungsunfähig. Denn sie zielen darauf ab, dass das Leben uns in der Hand hat und schuld ist, wenn etwas nicht gelingt.
Doch eine andere Brille könnte die gleichen Ereignisse ganz anders interpretieren: “Schade, dass es nicht geklappt hat, doch davon geht die Welt nicht unter.”
Diese Interpretation ermöglicht mir weiterhin nach Chancen und Möglichkeiten Ausschau zu halten und gibt nicht die Verantwortung für das eigene Leben nach außen ab.
Probiere neue Brillen an!
Ich möchte dir daher heute eine Übung empfehlen, die deine Brille und damit deinen Blick auf deine Welt verändern kann. Im besten Fall sogar auf Dauer, so dass du eine neue Wechselbrille bekommst, die du immer wieder mal aufsetzen kannst.
Schreibe deine Geschichte auf zwei Arten. Zwei Arten, die vollkommen gegensätzlich sind. Mach es schriftlich und nimm dir dazu Zettel und Stift zur Hand.
Variante 1 – die dunkle Brille
Schreibe deine Geschichte und halte den Fokus auf alles was schief gegangen ist in deinem Leben. Ich geb dir ein Beispiel von mir:
Ich bin in eine Familie hinein geboren worden, die wenig finanzielle Mittel hatte. Das hat dazu geführt, dass ich fast nie neue Klamotten bekommen habe, sondern immer die Sachen von anderen auftragen musste. Die Krönung war dann die Erstkommunion bei der ich als einziges Kind ein kurzes Kommunionkleid (aus den 60ern) trug, während alle anderen diese langen, fast brautkleidartigen Kleider anhatten. Wie peinlich!
So, ich glaub du weißt, was ich meine. Schreib deine Kindheit mit diesem Fokus, deine Schulzeit, deine Teenagerzeit, deine Zeit als junge/r Erwachsene/r und alle weiteren Lebensjahre die du schon hinter dir hast. Nimm dir Zeit dafür, auch wenn es mit der Zeit ganz schön düster werden kann. Doch wir sind im Übungsmodus.
Der Zweck dieser Variante und Übung ist, dass du in einem Extrem bleibst und siehst, dass alles schwarz gemalt werden kann. Was natürlich vollkommener Quatsch ist, da unser Leben immer viele Farben enthält. Doch diese Variante fällt den meisten total leicht, da wir so häufig darauf geeicht sind, unsere Geschichte aus dieser Brille heraus wahrzunehmen.
Wir wollen an dieser Stelle auch nicht zu bohren anfangen, wieso wir so oft die schwarze Brille aufsetzen. Wir wollen nur erkennen, dass uns das häufig wie ein Reflex einfällt und es genau das ist: ein angelernter Reflex.
Variante 2 – die helle Brille
Als 2. Brille nehmen wir nun die erste Geschichte, die wir uns gerade erzählt haben und drehen alle dunklen Ereignisse in helle um. Wir nutzen diese Brille, um hin zuschauen, wie sich die gleichen Ereignisse noch interpretieren lassen.
Ein Wort der Warnung: Das mag dir am Anfang vollkommen bescheuert erscheinen, sich jetzt “krampfhaft” auf etwas Positives zu konzentrieren. Mach es trotzdem und betrachte es als Übung. Denn es gibt hier keine richtige und falsche Interpretation. Es gibt nur eine gewohnte.
Die dunkle und die helle Brille sind nur zwei Möglichkeiten, die gleichwertig sind. Es ist deine Entscheidung, welche Brille du aufsetzen magst.
Um mein Beispiel von vorher zu nehmen:
Ich bin in eine Familie hinein geboren worden, die nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung hat. Daher hab ich selten neue Klamotten bekommen, sondern hab Sachen von meinen Cousinen und Schwestern aufgetragen. Ich fand das richtig cool, weil ich meine Cousinen sehr mochte und wenn ich ihre Sachen trug, fühlte ich mich ihnen verbunden. Manchmal war sogar ein wenig Stolz dabei, dass ich die Sachen bekommen hatte.
Zur Erstkommunion hatte ich ein Kleid mit Jäckchen von meiner Schwester an. Dadurch, das sie doch einige Jahre älter war als ich, hatte ich damit eine ganze andere Modeperiode erwischt und ich fiel mit dem kurzen Kleid unter den ganz anderen langen Kleidern total auf. Ich fühlte mich wie etwas Besonderes, da niemand so ein tolles kurzes Kleid hatte und ich nie Angst hatte, dass mein Rock schmutzig werden würde und ich nicht aufpassen musste, dass etwas auf dem Boden schleift. Dadurch hatte ich viel größere Bewegungsfreiheit die ich ausgiebig genutzt habe ;)
Auch hier siehst du was ich meine: Du nimmst die gleichen Ereignisse und interpretierst sie mit der hellen Brille. Es kann dir passieren, dass dir nicht gleich eine helle Interpretation einfällt, doch bleib dran, genau das ist das Üben mit einer neuen Brille.
Und du darfst gern raten, für welche der beiden Varianten ich mich als Kind schon entschieden hatte ;)
Übung und Zeit macht eine neue Sicht auf dein Leben
Man braucht eine Weile bis man sich daran gewöhnt hat. Überleg dir einfach immer wieder, was das Gegenteil der negativen Interpretation ist und dir wird etwas einfallen.
Vielleicht hast du nach der Fertigstellung das Gefühl, dass diese zweite Variante totaler Quatsch ist und überhaupt nicht stimmt.
In dem Fall solltest du ab sofort ganz bewusst immer wieder die helle Brille nutzen und dir überlegen, was es denn Positives an einer Situation gibt. Denn du hast den Dunkle-Brille-Reflex. Dir fällt sofort die negative Deutung ein.
Doch erinnere dich, dass das nur EINE Variante ist. Und es gibt hier keine Wahrheit. Es ist entscheidend, für welche Variante du dich entscheiden möchtest.
Wenn du mit der hellen Brille geübt hast deine Story umzuschreiben, dann achte auf deine Gefühle. Lass dich auf die helle Brille ein und beobachte, was sich dadurch für dich verändern kann.
Das kann anfänglich ein ungläubiges hin und her switchen sein von der hellen Brille zurück zur gewohnten dunkleren. Was irritieren kann, verunsichern kann und einen ins Zweifel kommen lässt.
Forme dein Selbstbild neu
Genau das passiert auch in deinem Inneren. Denn das sind die Selbstbilder die wir uns machen. Und wenn wir von der gewohnten Sicht auf eine andere umschwenken, dann wankt als erstes unser Selbstbild.
Das aufrecht zu erhalten ist ein Reflex, der einsetzt. Doch es ist möglich, mit kleinen Schritten und immer wieder der hellen Brille, sich langsam ein neues Selbstbild zu schaffen. Die Welt lernen anders zu interpretieren. Auf eine Art und Weise die uns mehr Chancen bietet und die Verantwortung in unsere Hände legt.
Das ist ein Prozess der sich langsam vollzieht und manchmal auch große Sprünge macht, wenn man merkt, wie anders und wohltuend eine andere Brille sein kann.
Lass dich auf diesen Prozess ein und erzähl dir deine Story mit der Brille die dir auf Dauer am meisten gut tut. Und damit meine ich nicht mit aller Gewalt immer nur das Positive zu sehen. Ich meine damit, dass du mehrere Brillen zur Auswahl hast und dir angewöhnst nicht nur mit einer auf deine Welt zu schauen.
Denn wie Karl Valentin schon gewusst hat:
A jeds Ding hod 3 Seitn: a schlechte, a guade und a komische.
Ich übersetz mal kurz ;) Ein jedes Ding hat drei Seiten: Eine schlechte, eine gute und eine komische.
Genau diese komische Seite immer wieder bewusst zu suchen und diese Brille bewusst aufzusetzen, kann dein Leben grundlegend verändern. Probiere es aus!
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