Wunderliches Wort, die Zeit vertreiben,
sie zu halten wäre das Problem…
(Rilke)
Heute möchte ich gern ein paar Gedanken mit Ihnen teilen, die nicht unbedingt eine praktische Umsetzung beinhalten. Doch das Thema begleitet mich seit den letzten Wochen und Monaten fast jeden Tag. Vielleicht kommt Ihnen daraus manches bekannt vor, vielleicht erleben Sie manches davon selbst in Ihren Tagen, vielleicht können Sie mit manchem daraus etwas anfangen, vielleicht hilft es Ihnen aus ähnlichen Dilemmata neue Gedanken zu fassen.
Unsere Zeit…
Von unserem Kuchen der Zeit beanspruchen viele Menschen ein Stück. Sie wird genommen, gefordert, erfleht, erbettelt. Was bleibt sind oft nur Krümel. Kein Stück mehr im Ganzen. Fragmente zurückgelassen nach dem Sturm auf’s Buffet. Und da sitzen wir nun, kratzen die Reste zusammen und versuchen davon satt zu werden.
Unsere innere Uhr tickt viel langsamer als der unerbittliche Zeiger im außen. Die Zeit beherrschen bedeutet auch, diese beiden Welten in Einklang zu bringen. Was es erfordert, Wege zu finden, um den Tag zu verlangsamen. Jede Minute die verstreicht, ist unwiederbringlich vorbei. Jeder Herzschlag bringt uns dem Ende ein Stück näher.
Diese Gedanken machen die Zeit zu einem Ungeheuer, das sich durch unser Leben frisst. Als Stellvertreterin schickt sie Termine, Besprechungen, Telefonate, zu erledigende Projekte. Sie ist gut im Delegieren, da könnten wir noch viel lernen.
Doch gibt es nicht auch Momente, in denen die Zeit still zu stehen scheint? Oft nur kurze Augenblicke, die uns den Reichtum der Ruhe schenken. Inseln im Alltag.
Das Paradox der Zeit ist in der Distanz begründet. Je weiter wir uns von ihr entfernen, umso schneller fließt sie durch uns hindurch. Je näher wir ihr sind, umso langsamer und gemächlicher lässt sie unser Erleben erscheinen.
Wo passiert Zeit dann genau? Spürbar wird sie in flirrenden Gedanken, die sich wie wilde Affen von Baum zu Baum schwingen, wenn der äußere und innere Druck zunimmt.
Eine geschenkte Stunde hingegen manifestiert sich in einem Lächeln, einem tiefen Atemzug, einer wohligen Entspannung im gesamten Körper. Die Zeit festzuhalten gelingt oft in schreibenden Bildern. Erinnerungen, die durch wenige Worte wieder auferstehen. Ein Regen aus Momentaufnahmen, die uns hineinfallen lassen in ein früheres Ich.
Und die Zeit die noch kommt? Wie können wir ihr schon heute ein gutes Zuhause schaffen? In dem wir unser Erleben wieder auf den Moment ausrichten. Das Jetzt in uns orten und immer wieder zu diesen Koordinaten zurückkehren, wenn wir vom Kurs abgewichen sind und uns im Strudel der Zeiten anderer verheddert haben.
Denn nicht die Zeit verbraucht uns, sondern wir verbrauchen die Zeit. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Stopfen wir sie wie Junkfood in uns hinein ohne wahrzunehmen, was sie da in uns macht oder zelebrieren wir ein Mahl mit Kerzen und Wein?
Wahres Genießen lässt einen Moment zu einer kostbaren Ewigkeit werden. Das Leben bis zur Neige kosten und die Zeit ist unser, wenn wir wahrlich anwesend sind in unserem Sein.
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Mich hat Dein Artikel spontan an ein Buch erinnert, in dem ähnlich wertvolle Gedanken ausgebreitet werden:
“Ich habe immer Zeit” von Claus Gaedemann. Untertitel: Zeitökologie: Zeit nutzen, Zeit sparen, Zeit haben.
Schon allein, dass ich diese Perle wieder aus meinem Regal geholt habe… Tausend Dank für diesen Text.
Und hochgradige Leseempfehlung für oben genannten Titel.
Beispielsweise ein Fragment, das mir aus der gestrigen Lektüre im Kopf gebleiben ist: >>Lebenszeit ist nicht endlich. Ein heute 40-jährieger hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von noch 35 Jahren – das sind etwa 12.000 Tage…<<
…und morgen schon wieder einer weniger.
Das begleitet mich heute schon den ganzen Tag: Wieviele Augenblicke habe ich heute registriert? Ein "Jetzt" wahrzunehmen dauert im Schnitt 3 Sekunden… wieviele "Jetzte" gab es heute, die in mein Innerstes gesickert sind? Wieviele wird es morgen geben…?
Die beste Entscheidung heute war, trotz miserablem Gesundheitsgefühl einfach mal raus zu gehen, mit dem Sohn auf den Spielplatz. Die Birken im Wind rascheln hören. den hellen Sonnenrand an den grauen Wolken zu einem Sonnenuntergangsfarbenspiel sehen, das Rascheln des Herbstlaubes unter den Sohlen spüren. Fröstelnd eine Journalseite mit klammen Fingern schreiben und das Lachen der Kinder geniessen. *DAS* werden die Momente des heutigen Tages bleiben. Auf ewig.
Liebe Grüße!
Das Wahrnehmen ist ein tägliches Training. Merke ich an mir selbst auch immer wieder. Die Gedanken beginnen zu galoppieren und bevor man sich versieht, läuft man schon wieder mit. Es ist ein immer wieder wahrnehmen von nöten, um hier die Zügel wieder anzuziehen, zu verlangsamen und tief Atem zu holen, bevor man den nächsten Schritt macht.
Dank dir für den Buchtipp. Werd ich auf jeden Fall mal reinschauen.
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#achtsamkeit