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Seit dem ich einen Stift halten kann, schreibe ich. Vor der Schule natürlich meine ganz persönliche Geheimschrift ;) und danach habe ich meine Buchstaben am liebsten mit Bleistift oder Füller geschrieben. Ich fand es schon als kleines Kind viel faszinierender, schreiben zu können, als zeichnen zu können.
Und heute ist schreiben aus meiner Welt nicht mehr wegzudenken. Für mich ist es eines der wichtigsten Mittel das ich habe, um mit mir in Kontakt zu sein, um Dinge zu entwickeln, über Themen nachzudenken, dir mir wichtig sind, meine Gedanken zu sortieren und vieles mehr.
Es gibt viele Menschen die nach der Schule kaum noch etwas schreiben. Vielleicht noch einen Einkaufszettel, aber keine längeren Texte mehr. Zumindest nicht für sich. Mails oder Berichte oder andere geschäftliche Dinge mal ausgenommen.
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Schreiben ist gut für die Seele und damit für deine Gesundheit
Doch schreiben kann ein so wertvolles Mittel sein um unsere seelische Gesundheit zu erhalten.
Ganz oft schaffen wir es nicht in Worte zu fassen und auszusprechen, was wir gerade fühlen. Wir spüren nicht immer wie es uns tatsächlich geht. Wir haben keinen Zugang zu uns. Doch über das Schreiben lässt sich dieser Zugang finden.
Heute will ich dich dazu ermuntern, dich wieder mehr mit dem Stift in der Hand zu beschäftigen. Du brauchst dazu keine Schönschrift, es muss niemand anderes lesen können außer du selbst.
Wenn wir mit dem Stift in der Hand schreiben, denken wir auf eine andere Weise, als wenn wir nur so dasitzen und nachdenken.
Es setzt einen Prozess in Gang, den Vera F. Birkenbihl, die große Trainerin, als Kläranlage des Geistes bezeichnet hat. Das ist so wahr!
Morgenseiten schreiben
Nimm die Morgenseiten als Beispiel. Eine Technik die Julia Cameron entwickelt hat. Man setzt sich morgens hin und schreibt als erstes 3 Seiten runter. Man schreibt ohne abzusetzen, was einem gerade so durch den Sinn kommt. Wenn einem gar nichts einfällt, dann schreibt man eben, mir fällt grad nichts ein.
Das hört sich komisch an, ist aber ein fast magischer Vorgang. Alles was man da aus sich herausschreibt, ist erst einmal aus einem draußen. Es steht jetzt auf Papier. Schwarz auf weiß.
Ärger den man noch mit sich herum geschleppt hat, Kummer der einen nicht losgelassen hat, Sorgen die man sich gemacht macht.
Nach einer Weile kommen ganz andere Gedanken dazu. Was man heute noch machen könnte, welche Idee man für den nächsten Geburtstag des Liebsten hat oder wie man die Bewerbung angehen könnte, die man schon lange schreiben will.
Es ist, als ob das Schreiben einen klärenden Prozess in Gang setzt – eben Kläranlage des Geistes – der ohne schreiben nicht in Gang kommen kann. Wir bringen Emotionen, alte Geschichten aus uns heraus und damit gewinnen wir Abstand zu ihnen.
Sie können uns nicht mehr auf die gleiche Art beeinflussen als wenn wir sie nur im Kopf haben. Diese Morgenseiten haben mir über lange Zeit den seelischen A… gerettet.
Vor allem in den Zeiten nach dem Tod meines Vaters, war das ein wichtiges Mittel für mich, um nicht komplett umzukippen. Es war eine stabile Komponente, etwas das nicht schwer war zu tun und das mir unendlich geholfen hat durchzuhalten.
Schreiben klärt den Geist
Schreiben ist manchmal wie ein Allheilmittel. Wenn ich nicht sicher bin, wie ich ein Projekt angehen soll, dann setze ich mich hin und schreibe einfach meine Gedanken dazu auf. Ungefiltert, alles was mir durch den Kopf geht dazu. Einfach drauf los schreiben und alles aus meinem Kopf auf Papier bringen.
Steht es erst einmal da, kann ich es von außen betrachten und es fügt sich viel schneller eine Struktur zusammen, es findet sich ein gangbarer Weg, eine Lösung zeichnet sich ab.
Schreiben zu können, ist etwas das wir alle in der Schule lernen. Leider gewöhnt uns die Schule auch oft die Freude am Schreiben gleich wieder ab.
Da sind Schulaufgaben zu verfassen über Themen die einem als Teenager überhaupt nichts sagen, da wird mit rotem Stift korrigiert und die eigenen Ideen in der Luft zerpflückt.
Ein Deutschlehrer kann wie kein anderer einen demütigen oder aufbauen. Doch schreiben können in der Schule, ist nicht das gleiche wie schreiben für sich.
Wir schreiben nur für unsere Zwecke. Weder um eine Note zu bekommen oder ein Lob. Es muss keine pulitzerpreiswürdige Darstellung von etwas sein, sondern es dient nur dem Zweck, dass wir uns klarer über etwas werden, was ungeschrieben nicht richtig greifbar ist.
Tagebuch schreiben
Tagebuchschreiben ist etwas das ich unregelmäßiger mache. Es ist eher in Zeiten, in denen ich Umbrüche erlebe, die ich verarbeiten will. Situationen, die sich über eine längere Zeit hinziehen und über die ich intensiver nachdenken möchte.
Zum Tagebuchschreiben gibt es auch unendlich viele Ansätze. Jeden Abend ein kleines Rückschauprotokoll über den Tag zu machen ist z.B. eine schöne Idee. Mit immer denselben Fragen sich Gedanken über die vergangenen Stunden zu machen.
Was auf jeden Fall eine sehr wertvolle Sache ist, die im Laufe der Jahre entsteht, wenn man auf diese Weise sein eigenes Leben begleitet und dokumentiert.
Ich hab mein erstes Tagebuch in der ersten Klasse bekommen und seit dem um die 30 Bücher vollgeschrieben. Das ist für manche viel und für manche wenig. Morgenseitenbücher hab ich etwa die gleiche Anzahl.
Deine Vergangenheit wird lebendig durch schreiben und kann deine Zukunft verändern
Wenn ich in die alten Bücher hineinlese, dann ist das ein Blick auf mein Leben, der Momente wie unter der Lupe erfasst hat. Lebensabschnitte in denen viel passiert ist. Ereignisse und Menschen, die ich sonst nicht im Gedächtnis behalten hätte. Das alles ist mir sehr wertvoll.
Vor allem, wenn man seine eigenen Zeilen liest, die man als Kind verfasst hat. Das ist wie eine Stimme aus einer anderen Welt. Kindersorgen und Kindergedanken. Alles was mich damals beschäftigt hat.
Sich auf diese Weise immer wieder in verschiedenem Alter begegnen zu können, weil man darüber liest, ist ein sehr heilsamer Prozess. Über die Jahre nimmt man Veränderungen wahr. Was einem schwer gefallen ist, was einem gelungen ist, was man geschafft hat und woran man gescheitert ist.
Wir sind das Produkt unserer früheren Entscheidungen und Gedanken. Über das Schreiben können wir das reflektieren und für die Zukunft andere Weichen stellen. Das ist eine einfache und wirkungsvolle Möglichkeit sich selbst zu entwickeln.
Ich kann dir nur sehr ans Herz legen, das Schreiben für dich wieder zu entdecken.
Nimm dir ein Notizbuch zur Hand und schreib dir an jedem Tag ein paar Zeilen zum Tag auf. Was war, was dir wichtig erscheint, was dich beschäftigt hat, wem du begegnest bist, was dich beeindruckt hat.
Wenn du nur allein das eine Weile machst, wirst du merken, dass dein Leben viel reicher ist, als du denkst. Du wirst merken, was du alles an Erlebnisse und Gedanken hast, die du sonst vergessen hättest.
Zu schreiben heißt seine Gedanken zu verlangsamen. Wir können nicht so schnell schreiben wie wir denken. Das führt dazu, dass sich Sachen verdichten und wir daraus für unser Leben etwas ableiten können.
Und wenn du Kinder hast, dann ist es eine gute Idee, sie darin zu fördern, das Schreiben als etwas positives zu erleben.
Denn je jünger man beginnt, die Magie des Stiftes in der Hand zu begreifen, dem wird es auch später als wertvolles Mittel zur Verfügung stehen um mit sich in Kontakt zu bleiben.
In diesem Sinne: Ran an den Stift!
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