.
Bist du in Snapchat oder hast du dir TikTok schon mal angesehen? Du hast ersteres vielleicht schon mal gehört, aber das letztere sagt dir überhaupt nichts? Dann willkommen in der neuen Welt.
Tiktok ist das neue soziale Netzwerk mit Short-Videos (nicht nur) für unsere jungen Kiddies. Mädels ab 10 toben sich dort im lip syncing aus. Du weißt auch nicht, was das sein soll? Einfach erklärt: Ich spiele einen Song ab und tue so als ob ich ihn nachsinge.
Doch das ist schon fast wieder ein alter Hut und war der Hauptfokus als die App noch musically hieß. Es gibt inzwischen so kreative Tiktok-Kanäle und es gibt natürlich einen Haufen Müll. Wie das bei jedem der Netzwerke und Plattformen der Fall ist, die wir hier so in den letzten Jahren kommen und gehen haben gesehen.
Wenn du jetzt den Impuls hast zu sagen, ach nö, damit hab ich keinen Bock mehr mich zu beschäftigen. Das ist nichts mehr für mich. Dafür bin ich schon zu alt. Das interessiert mich überhaupt nicht. Das ist einfach nichts für mich. In all diesen Fällen heißt es aufgepasst.
Wir Menschen neigen bereits ab 35 dazu, das wir unsere Meinungen gebildet haben, wir unsere Vorlieben haben und dabei bleiben und eigentlich gar keine große Lust mehr haben, immer noch etwas Neues zu lernen. Das Neue wird gefühlt immer anstrengender und man hat ja eh soviel zu tun, da ist es doch auch OK, sich mal zurückzuziehen.
Photo by Adam Walker on Unsplash
Bleib am Ball
Dagegen hat auch niemand was einzuwenden. Sich mal zurückzuziehen, nicht jeden Sch… mitmachen. Alles in Ordnung. Doch es gibt eine Schwelle, die sollte man im Auge behalten.
Wer sich zu sehr aus Neuem zurückzieht, der wird mit den Jahren immer festgefahrener. Es wird schwieriger sich neuen Situationen zu stellen und das Gefühl dazu ist immer öfter genervt.
Ich kann verstehen, wenn das keinen Spaß mehr macht und man sich deshalb dafür entscheidet, bei seinen gewohnten Dingen zu bleiben. Denn es ist anstrengend.
Doch wie wir schon öfter besprochen haben, brauchen wir Anstrengung in unserem Leben, damit wir das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu vollbringen. Damit wir das Gefühl haben, etwas geschafft zu haben. Damit wir uns selbst glücklich machen.
Das gelingt vom, immer mehr zurücklehnen und sich für immer weniger interessieren, nicht.
Wir brauchen ein gewisses Maß an Anregung, dass wir nicht verblöden. Das mag sich harsch anhören, doch nur weil du jeden Tag Vollstress in der Arbeit hast, bedeutet das nicht, dass du noch wächst und dir Neues rein ziehst.
Es bedeutet, dass du jeden Tag gleiche Dinge machst, ähnliche Gespräche führst, sich wiederholende Abläufe erlebst und das heißt auch, dass man damit auf Dauer stehen bleibt. Auf wenn man das Gefühl hat permanent in Bewegung zu sein.
Doch das ist das Unterschied zwischen einem Hamsterrad und einem Weg, der sich durch die Natur schlängelt. Da kommen wir vorwärts, da sehen wir immer wieder etwas Neues, da erreichen wir neue Ziele. Im Hamsterrad bewegen wir uns zwar, bleiben jedoch an Ort und Stelle.
Neue Gelegenheiten muss man sich mit der Zeit selbst suchen
Wann hast du das letzte Mal über ein Thema gelesen, das dir völlig neu war und zu dem du kaum etwas wusstest?
Wann hat du das letzte Mal ein Gericht probiert, dass dir fremd war und du nicht kanntest?
Wann hast du das letzte Mal einen Ort besucht, an dem du noch nie warst und dir Zeit genommen ihn zu erkunden?
Wann hast du das letzte Mal mit einem dir fremden Menschen gesprochen und hast etwas Neues gelernt?
Mit den Jahren werden diese Gelegenheiten immer weniger, die sich in der Jugend und im jungen Erwachsenenleben ganz natürlich ergeben. Da ist noch nicht alles erforscht und die Arbeit ist noch frisch.
Doch je länger wir in unserem Leben vorwärts schreiten, um so weniger ergeben sich diese Gelegenheiten auf natürlichem Weg. Jetzt ist es immer mehr an uns, diese Gelegenheiten bewusst zu schaffen.
Dazu gehört als erstes, wahrzunehmen, dass man mit der Zeit stehen geblieben ist. Und wer das wahrnimmt, sollte schleunigst etwas dagegen unternehmen.
Wer stehen bleibt, wird unbeweglich
Je mehr Menschen in ihrer Welt hängen bleiben, um so schwerer tun sie sich mit Fremdem umzugehen. Auch wortwörtlich mit “Fremden”. Das was ich nicht kenne, macht immer mehr Angst und ist mir unangenehm, je mehr ich es mir in meiner bequemen Höhle von Dasein eingerichtet habe.
All das führt dazu, dass wir nicht mehr bereit sind auf einander zuzugehen. Wir verlieren Empathie für andere, weil wir uns nicht mehr mit Neuem beschäftigen. Wer nicht mehr weiß, wie es ist mit unbekannten und neuen Situationen umzugehen, wird Neues immer mehr als bedrohlich erleben.
Veränderung wird dann zum Fluch, der das eigene Dasein verändern will. Alles soll so bleiben wie es ist. Doch das tut es nie. Wenn es eines gibt, das sicher ist in unserem Leben, dann ist das die Veränderung.
Wir tun uns wirklich keinen Gefallen, wenn wir aufhören offen für Neues zu bleiben und uns selbst in einen immer währenden Kreislauf von denselben Gedanken, Erlebnissen, Themen und Menschen zu halten.
Die Mama hat doch immer recht ;)
Meine Mama hat mir vieles beigebracht und ich bin so dankbar, dass ich sie in meinem Leben immer noch habe.
Eines der wichtigsten Dinge lebt sie mir auch heute mit ihren 85 Jahren immer noch vor. Sie interessiert sich für alles Mögliche. Sie will offen bleiben. Das ist etwas, das sie heute noch zu mir sagt: “Kind, es ist wirklich wichtig offen zu bleiben und immer bereit zu sein, etwas Neues zu lernen.” Ja, egal wie alt ich werde, ich werde immer noch mit ‘Kind’ angesprochen ;)
Auch wenn es mir manchmal als Teenager auf die Nerven gegangen ist, immer wieder mit solchen Sätzen bombardiert zu werden, bin ich heute heilfroh drum. Denn für mich ist es nach wie vor jeden Tag interessant, was es an Impulsen, an Dingen, an Themen gibt, die mir noch unbekannt sind.
Manche Themen können dabei überwältigend sein und ich weiß, dass ich davon keinen blassen Schimmer habe. Doch ich versuche nicht gleich alles zu verstehen und manches werde ich wahrscheinlich nie kapieren, doch offen zu bleiben für die Faszination, dass es so vieles gibt, was mir noch nicht bekannt ist, ist wie ein Reflex geworden in meinem Leben.
Ein wenig zu wissen ist besser als nix
Ich muss auch nicht alles verstehen. Es reicht oft eine vage Idee davon zu haben, einen gewissen Teil der Sache überblicken zu können, um eine Ahnung zu bekommen, warum das für andere wichtig sein könnte.
Nehmen wir z.B. die Plattform Tiktok. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sich die “Bushaltestelle” im Netz neu erfindet.
Du weißt nicht was ich damit meine? Das ist ganz einfach: Erinnere dich daran zurück wie du ein Teenager war. Wie wichtig war es einen Ort zu haben wo man sich mit Freunden treffen konnte zum Abhängen, ohne dass die Eltern einem dabei über die Schultern schauen.
Das war für viele von uns in den 70er und 80ern, die Bushaltestelle. Da gab es ein Dach über dem Kopf und man war in gewisser Weise mehr geschützt, als wenn man draußen abhing.
Diese virtuelle Bushaltestelle im Netz, war in den Anfängen Facebook. Zu Zeiten als ich noch für Jugendämter und Kinderdörfer Vorträge dazu gemacht hab, sagten mir ganze viele der SozialarbeiterInnen: Ach nee, in Facebook bin ich nicht. Das interessiert mich nicht. Das ist nicht mein Ding. Das ist doch eh nur doofes Zeug.
Hallo?! Wenn eure Kiddies sich dort rumtreiben, wäre es doch keine schlechte Idee mal zu verstehen, was sie daran so fasziniert!
Daher hab ich ihnen ziemlich den Kopf gewaschen, da ich echt nicht verstehen konnte, wieso man sich von einem Teil der Lebenswelt derjenigen so ausschließen kann, für die man sorgt und verantwortlich ist.
Nach Facebook gab es tumblr, das läuft auch noch immer irgendwie mit, hat aber nicht mehr den Stellenwert. SMS wurden zuerst von Jugendlichen für sich entdeckt und sie haben es auf die Spitze getrieben mit hunderten verschickten Nachrichten im Monat.
Das hat dazu geführt, dass immer mehr Messenger Dienste aus dem Boden schossen, bis Whatsapp sich den größten Anteil aller geschnappt hat und dann wiederum von Facebook geschluckt worden ist – genauso wie Instagram – weil ihm die Jungen davon gelaufen sind.
Diese ganzen Trends werden oft von der Jugend getrieben. Genauso wie jetzt eben Tiktok. Sobald die Netzwerke “erwachsen” werden und damit kommerziell, werden sie für die jüngere Generation immer uninteressanter.
Bleib neugierig
Ich erwarte nicht, dass sich jeder mit dieser Online-Welt komplett auseinandersetzt. Doch ich wünsche mir, dass mehr Offenheit besteht, sich Neues anzuschauen und zu versuchen zu verstehen, was es an Neuem gibt und was das Faszinierende daran sein kann.
Das Internet ermöglicht uns nicht nur Unterhaltung, sondern es bietet auch zu so vielen verschiedenen Wissensgebieten Zugang. Im Klartext heißt das, dass ich über fast jedes Thema Stoff dazu finden werde. Sei es in Youtube Videos, Fachblogs zum Thema oder in Online-Kursen.
Es gibt keine Ausrede mehr, nicht immer wieder neue Wissensgebiete zu betreten. Und das hat nichts damit zu tun, dass man immer noch mehr tun muss, sondern es hat damit zu tun, dass wir unseren Geist beweglich halten. Wir brauchen JETZT einen beweglichen Geist, wenn wir SPÄTER einen beweglichen Geist haben wollen.
Neue Wissensgebiete, neue Themen, neue Technik, neue Entdeckungen, all das führt dazu, dass wir nicht stehen bleiben.
Stillstand ist das was wir am meisten fürchten sollten.
Und dabei gilt es zu erkennen, dass das Treten im Hamsterrad genau das ist:
Stillstand.
Bleib so wie du bist, sollte man keinem Menschen wirklich wünschen. Denn wir sollten uns wünschen, dass wir offen bleiben für Neues. Das ermöglicht uns mit unerwarteten Situationen sehr viel souveräner umzugehen.
Sich immer wieder Neuem und damit Unbekanntem auszusetzen, trainiert unsere Widerstandskraft, wenn wir plötzlich Situationen gegenüber sehen die vollkommen unerwartet sind.
Bleib beweglich
Wer immer nur das gleiche denkt, wird nicht um die Ecke denken können. Er wird sich viel schwerer tun Lösungen zu finden und wird sich als jemand erleben, der schwerfällig ist, weil er wenig Ideen hat.
Beweglich im Geist bleiben ist etwas, das uns niemand abnehmen kann. Das lässt sich nicht delegieren, sondern das geht nur in Eigenregie.
Was wir davon haben ist das Geschenk der Neugierde, der Entdeckerfreude, der Gewissheit, dass es niemals langweilig werden wird, da wir bereit sind immer wieder neue Ufer zu erreichen.
Das macht uns zu interessanten Menschen. Das macht uns zu empathischen Menschen. Das macht uns zu freundlichen Menschen.
Denn Neues kann auch demütig machen. Wer mit neuen Fachgebieten zu tun hat, weiß wie überfordernd das sein kann. Scheitern ist da ein normaler Teil des Weges. Doch das macht nichts. Laufen lernt man nur durch Hinfallen. Sich diese Geisteshaltung zu bewahren, dass Offenheit etwas Wertvolles ist, macht unser Leben reich.
Reich an Erlebnissen und reich an Erkenntnissen. Und – was vielleicht auch nicht ganz unwichtig ist – es macht uns zufrieden und lässt uns freundlich gegenüber dem Fremden sein.
Denn wer sich immer wieder in unbekannte Gefilde begibt, weiß dass wir genauso fremd für andere sein können.
Und das macht uns wiederum gleich.
.
Liebe Alexandra, danke für den Impuls :-)
dazu fallen mir die Geschichten des Herrn Keuner von Brecht ein:
“Ein Mann, der Herrn K. lange nicht
gesehen hatte, begrüßte ihn mit den
Worten: “Sie haben sich gar nicht
verändert.” “Oh!” sagte Herr K. und
erbleichte”
Liebe Sabine, oh das passt ja wunderbar dazu! Danke für deinen lieben Kommentar.