Wenn ich Sie jetzt fragen würde, was Sie alles können, wissen und schon geleistet haben, sind Sie sich dann sicher, dass Ihnen tatsächlich alles einfällt? Auch wenn Sie vielleicht noch Ihren Lebenslauf als “Geländer” nehmen und die einzelnen Stellen, Zeugnisse und Fortbildungsbescheinigungen durchsehen, denken Sie, dass Sie dann alles parat haben?
Wissen Sie wirklich, was Sie alles wissen?
Nachdem sich in letzter Zeit immer wieder in Gesprächen das Thema um Gehaltsverhandlungen, Stellenwechsel und systematischer Karriereaufbau gedreht hat ist mir dabei wieder klar geworden, wie wenig viele Menschen über ihr Wissen wissen.
Es ist schon oft seltsam, dass die Bürokratie mit tausend Formularen ihre Blüten treibt, im Projektmanangement ein Protokoll das nächste jagt und es Schriftstücke über Schriftstücke gibt, die irgendwelche Prozesse im Unternehmen dokumentieren.
Und was ist mit Ihrem Anteil? Wenn Sie ein zukünftiger Chef wären, welchen Bewerber oder welche Bewerberin würden Sie eher einstellen:
- jemanden, der Ihnen einen lückenlosen Lebenslauf vorlegt und in Adjektiven detailliert beschreiben kann, dass er oder sie in jeder Hinsicht, flexibel, strebsam, engagiert, weiterbildungshungrig usw. ist oder
- jemanden, der Ihnen ein Portfolio vorlegen kann mit Beschreibungen von bereits abgewickelten Projekten, Schilderung der Ergebnisse und des Nutzens?
Wenn Ihnen die zweite Variante sinnvoll erscheint, dann ist das ja möglicherweise auch etwas für Sie. Sie können zu jedem Zeitpunkt beginnen, ein Wissens- und Erfahrungsportfolio aufzubauen. Es gibt dazu keine festen Regeln, Sie sind dabei völlig frei.
Für wen das Thema völlig neu ist, dem können die folgenden Ausführungen behilflich sein:
- Listen Sie alle Projekte und Aufgaben auf, die Sie momentan bearbeiten. Sammeln Sie ein paar Tage alle Stichworte die Ihnen einfallen. Beobachten Sie sich quasi immer wieder einmal selbst bei der Arbeit.
- Markieren Sie nun diese Liste nach wiederkehrenden Aufgaben und Projekten und denjenigen die einen Abschluss haben.
- Nehmen Sie nun die Projekte und Aufgaben die einen Abschluss haben und treffen Sie eine qualitative Auswahl. Vielleicht nehmen Sie Anfangs nur 3, das erleichtert den Start.
- Führen Sie diese nun in getrennten Dateien oder auf extra Blättern, wenn Sie lieber mit der Hand schreiben möchten.
- Nun beginnt der konkrete Portfolio-Aufbau. Formulieren Sie zunächst einen Zweck, ein Ziel, wieso Sie diese Aufgabe überhaupt durchführen. Vervollständigen Sie dazu z. B. den Satz: “Mit diesem …. möchte ich …. erreichen.”
- Nehmen Sie sich einmal in der Woche 15 Minuten Zeit und gehen Ihre Portfolio-Projekte gedanklich durch. Notieren Sie sich dabei Stichpunkte über die Veränderung (ob nun vorwärts, rückwärts oder seitwärts). Und beantworten für sich folgende Fragen:
- Was war diese Woche neu für mich?
- Was kann ich nun was ich vorher noch nicht konnte?
- Welches Wissen will ich ausbauen?
- Wobei kann mir dieses Wissen noch nützlich sein?
Wenn Sie auf diese Weise Ihre Arbeitsprozesse begleiten wird Ihnen mehrerlei auffallen. Zum einen wird Ihnen bewusst werden, dass Sie ständig lernen und neues Wissen zu Ihrem vorhandenen hinzufügen. Und zum anderen werden Sie lernen zu unterscheiden, welches Wissen qualitativ hochwertiger ist und Ihnen auch bei anderen Themen zu gute kommen wird.
Um nun Ihr Portfolio auch vorzeigbar zu machen, werden abgeschlossene Aufgaben und Projekte noch in eine Kurzbeschreibung gebracht. Ein Aufbau der sich dazu bewährt hat, verläuft nach folgendem Muster:
- Ziel und Zweck des Projektes (das können Sie häufig aus Ihren bisherigen Unterlagen übernehmen)
- Durchführung des Projektes mit Vorteilen und nachhaltigen Verbesserungen, die erreicht wurden
- Erfahrungsschatzaufbau (Bereiche usw.)
- Nutzenschilderung (aus Sicht des Unternehmens) und mögliche Übertragbarkeit auf andere Bereiche
Wie auch bei jedem Zeitungsartikel liegt dabei ein großes Augenmerk auf dem Titel und Zweckbeschreibung. Schreiben Sie diese Zusammenfassung so, dass der daraus entstandene Nutzen für das Unternehmen im Vordergrund steht.
Auf diese Art können Sie auch bereits abgeschlossene Projekte noch aufarbeiten. Und mit der Zeit entsteht dadurch ein durchgängiges Portfolio, das Ihnen bei jedem Stellenwechsel und bei jeder Gehaltsverhandlung nützen wird. Denn es zeigt Ihre Leistung besser auf als jedes Gespräch das vermag. Hier trifft dann wieder mal das alte Sprichwort “schwarz auf weiß” zu.
Gern stehe ich Ihnen für alle Fragen in diesem Zusammenhang zur Verfügung und ebenso freue ich mich über Ihre Kommentare und Meinungen.
edit: Aufgrund der Nachfragen, hier noch eine Muster-Portfolioseite.
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Sehr schöne Anregung. Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal eine solche Bewerbung gesehen habe.
Das ist ein weiterer Punkt: Mit diesem, etwas anderen, Aufbau hat man ein Herausstellungsmerkmal, welches in der heutigen Flut an Bewerbungen durchaus wertvoll sein kann.
Bin mal gespannt, was Marcel dazu sagt.
Der Erfolg hat uns bisher immer Recht gegeben. Diese Projektbewerbungen können auch als Serienbriefe an eine genaue bestimmte Zielgruppe versendet werden. Das wird auch in der EKS als Zielgruppenkurzbewerbung beschrieben.
Und vor allem im Bereich der Gehaltsverhandlungen ist diese Leistungsmappe (wie sie schon früher hieß) auch für einen selbst eine sehr gute argumentative Unterstützung. Dabei kommt man endlich weg von dem “der/die will mehr Geld” hin zu “der/die hat was geleistet und verdient mehr Geld”.
Und auf die Meinung von Marcel bin ich auch schon gespannt :-)
Hallo erst mal! Ich bin leider nicht Marcel, dennoch finde ich die Idee richtig gut. Bei mir herrscht sowieso das Chaos, was die Projektdokumentation angeht. (Ich habe irgendwo sogar Zeitungsartikel über meine Diplomarbeit.)
Mich erinnert der Portfolio-Aufbau an mein Projektblatt im Wiki. Dort steht ja auch: Ziel/Zweck. Aus Zeitmangel ist das meistens nicht ausgefüllt.
Eines meiner Projekte dort heißt sogar: “Projektdokumentation” – bei den Architekten ist das sogar eine Leistungsphase nach HOAI. Irgendwie wollte ich das schon lange mal aufarbeiten, diese vielen Dinge, die ich bereits auf die Reihe gebracht habe. Wie passen da private Projekte aus dem Ehrenamt dazu (Plakatentwürfe etc?) – Einfach mal ALLES dokumentieren? Das ist ein RiesenBerg. Da habe ich Schwierigkeiten, damit anzufangen…
Mir wird nur gerade wieder klar, warum ich obiges Projekt “Dokumentation” nicht begonnen habe. Erstens ist mir nicht klar, was dabei herauskommen soll und zweitens habe ich deswegen keine Ahnung, was der nächste Schritt ist. Wenn also ein Projekt- und Wissensportfolio herauskommen soll, dann fände ich es ganz hilfreich, mal so ein Exemplar zu sehen. Und wenn es nur eine Vorlagenseite ist – ich brauche zur Orientierung immer so eine visuelle Anschub-idee. Dann kann ich sogar über mich hinauswachsen und noch viele zusätzliche Ideen einbringen. Was mir fehlt, ist ein Kondensationskeim, an dem sich so eine Idee in die Realität kondensieren kann.
Es ist halt ein weiterer Punkt auf einer ohnehin viel zu großen To-Do-Liste. *seufz*
Achja dieser Riesenberg :-) Deshalb gilt auch die Empfehlung erst mal nur 3 Projekte herauszugreifen und damit zu beginnen.
Werd demnächst noch eine Vorlage hochladen für die Augentierchen (-:
Danke für die Vorlage :-)
Dein Beitrag hat mir heute zumindest auch den Schubs gegeben, diesen monströsen Eingangskorb anzugehen. Wenn man erst mal angefangen hat, wegzuschmeissen, dann geht es plötzlich ganz schnell… ;-)
Hallo Frau Graßler, interessante Seite, spannendes Thema! Beste Grüße und frohe Weihnachten!
PS: Sind Sie auch bei OpenBC? Ich schnüffel mal :-)
Hallo,
ich habe nach den aufbau eines Portfolio geschaut und das hier gefunden. da ich norwegerin bin, fällt es mir schwer eine Arbeit zu finden!
danke für die interessnten anregungen!
@Nancy
Gern geschehen! Halte die Daumen, dass es mit dem Job klappt.
ist das auch für Schüler in der 8ten Klasse ?
@abc
Für die Schule bieten sich ePortfolios an. In Österreich wird das viel im Unterricht eingesetzt und unter diese Seite finden sich viel ausführlichen Informationen zum Thema: http://www.schule.at/index.php?url=themen&top_id=3728
Meiner Meinung nach kann nie früh genug begonnen werden, sein eigenes Wissen auf diese Art und Weise sichtbar zu machen. Viel Erfolg damit!