Noch vor 40 Jahren verbrachten die Leute pro Tag durchschnittlich 33 Minuten am [Essens]Tisch im Kreise ihrer Lieben. Heute ist diese Zeitspanne auf 14 Minuten und 27 Sekunden geschrumpft. (John Naish – Genug)
Lass dir das mal auf der Zunge zergehen: Wir verbringen heute nur noch durchschnittlich 14 Minuten gemeinsam beim Essen mit den Menschen die uns am wichtigsten sind.
Doch zählen nicht die Stunden, die wir mit Familie und Freunden gemeinsam essen, mit zu den schönsten in unserem Leben? Essen zu teilen, miteinander zu reden, zu lachen. Sind nicht einige unserer schönsten Kindheitserinnerungen mit leckerem Essen verknüpft sitzend am Küchentisch mit lieben Menschen? Oder bei Freunden eingeladen zu sein und dort mitessen zu können?
Essen gehört nun mal zu unseren elementaren Lebensbedürfnissen. Essen hält Leib und Seele zusammen heißt es. Doch für mich ist noch ein weiterer Aspekt wichtig: eben das gemeinsame Essen. Und dazu gehört nicht nur die reine “Nahrungsaufnahme” sondern auch das gesellige Beisammensein.
Oder ist es wirklich so erstrebenswert abends allein in einem Lokal zu sitzen und zu essen, wohingegen im restlichen Lokal Menschen gemeinsam speisen? Oder in einer Familie jeder dann den Kühlschrank plündert, wann er grad Hunger hat und es keinen Zeitpunkt mehr gibt, an dem die Familie wirklich zusammenkommt?
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Mach es wichtig für dich
Dass das alles mit unseren rigiden Zeitplänen nicht so einfach ist, ist auch klar. Doch wie ein früherer Mathelehrer immer gesagt hat: “Von einfach hat auch keiner was gesagt.”
Der Wille zur Veränderung zählt. Und das Argument mit “ich hab keine Zeit” ist ein klarer Hinweis auf die Prioritätensetzung. Denn in Wirklichkeit geht dieser Satz noch weiter und heißt komplett “ich habe keine Zeit DAFÜR” und noch anders übersetzt heißt das noch wirklicher: “ich will keine Zeit dafür haben, weil mir anderes wichtiger ist”.
Dass ich für diese Interpretation nicht unbedingt geliebt werde, ist mir auch klar. Doch seien wir mal ehrlich: Was geht auf einmal alles, wenn wir wissen, wir haben noch zwei Arbeitstage und dann geht’s in den Urlaub? Schon komisch, was wir in der kurzen Zeit alles gebacken kriegen, was vorher immer nicht zu schaffen war. Oder wenn die Lieblingsmannschaft Fußball spielt, werden plötzlich keine Überstunden gemacht wie sonst. Hm, was soll uns also diese Werbesendung sagen?
Mach es zu einem regelmäßigen Ritual
Wie wäre es denn damit, das mal zum Thema zu machen? In der Familie, in der Partnerschaft, im Freundeskreis?
Wie lässt sich dieses wunderbare, verbindende, uns gut tuende Ritual des gemeinsamen Essens wieder aufleben lassen? Welche Abende sind z.B. dafür ab sofort heilig? Wie lässt sich das im Freundeskreis umsetzen? Vielleicht mit einem festen Abend im Monat? Ich bin mir sicher, dass es hunderte von Möglichkeiten gibt, die ohne viel Aufwand dazu beitragen, dass das gemeinsame Essen wieder zu einem regelmäßigen Bestandteil in unserem Leben werden kann.
Wir sind ein Teil der Gemeinschaft die wir dadurch immer wieder bestärken. Damit stärken wir uns, denn wir bestärken die Verbindungen, derer wir in unserem Leben unbedingt bedürfen. Es ist eine Illusion, niemanden zu brauchen. Niemand ist eine Insel und umso wichtiger ist es für uns, Gemeinschaft in unserem Leben zu pflegen.
Und wenn’s dann auch noch gut schmeckt, um so besser :-)
Schaffe Gelegenheiten
In meinem Leben gibt es verschiedene Gelegenheiten an denen das gemeinsame Essen als verbindendes Element eine Rolle spielt. Vor kurzem bin ich von einer Freundin nach Hause gekommen. Ihr Partner hat für uns alle gekocht und wir haben ausgiebig geratscht. Dass das alles klappt, kommt selten vor, doch dafür ist es dann umso schöner.
Natürlich ist es auch in meiner Familie eine schöne Sache, wenn wir alle am Tisch sitzen und gemeinsam essen können. Daran anschließend wird oft noch ein heißes Match mit Karten gemacht. Auf drei Runden, um den Preis eines Schokoriegels. Ja, bei uns sind die Preise hoch angesetzt ;)
Wie kann man Menschen über Essen zusammenbringen? – Meet & Eat!
Da beim Reden die Leute zamfinden – wie man bei uns sagt – hab ich auch schon für Veranstaltungen nach Ideen und Wegen gesucht, wie man aus einem normalen Essen etwas Besonderes machen kann. Diese ursprünglichen Visitenkarten-Parties waren nie so wirklich mein Ding. In 10 Minuten haben 4 Leute Zeit sich vorzustellen und kennen zu lernen und dann geht’s weiter zur nächsten Runde. Das hatte für mich immer was von einem Ausverkauf.
Ich mag netzwerken, ich mag es Leute zusammen zu bringen und ich mag es interessante Gespräche zu führen. Daher hab ich mir das Format des meet & eat überlegt. Nach einem ausgeklügelten System lernt man bei einem 4 Gänge Menü, mit jedem Gang drei andere Teilnehmer:innen kennen. Das Ganze findet in einer netten und gemütlichen Location statt.
Damit man weiß, bei welchem Gang man an welchem Tisch sitzt, gibt es am Anfang ein kleines Kärtchen für jeden, auf dem das verzeichnet ist. Für jeden Gang ist genügend Zeit, so dass alle in Ruhe essen und sich trotzdem ausführlich austauschen können.
Dadurch dass man nicht die ganze Zeit sitzt, sondern sich immer wieder zu einem neuen Tisch geht, ist dabei Bewegung eingebaut und es wird nicht langweilig. Ich mag diese Events sehr und hab diese Format auch schon für Kunden gestaltet.
Gemeinsam essen bereichert
Was Essen so ideal macht für solche Art von Veranstaltungen ist, dass man immer gleich ein Thema hat über das man sprechen kann. Wie ist das Essen, was mag man für Speisen, wieso haben die anderen an einem Event dieser Art teilgenommen? Und wie nebenbei erfährt man auch noch, was die anderen denn so machen und ob es Überschneidungspunkte gibt.
Leute zusammen zu bringen finde ich einfach eine geniale Sache. Das gleiche hab ich auch eine ganze Weile mit Freundinnen und Kundinnen gemacht. Es war wie ein inner circle der Wissensagentur. Ich hab Frauen eingeladen, die ich schon lang kenne, Frauen, die ich mag und interessant fand und hab alle an einen Tisch gebeten.
Wir haben einen Miniworkshop beim Essen draus gemacht, in dem jede eine Aufgabe oder Challenge erzählen konnte, die vor ihr lag und alle gemeinsamen haben in einem Brainstorming Ideen gesammelt und beigetragen, wie sich das schaffen ließe.
Essen lässt sich mit so vielem verbinden. Ob das nun solche Sessions sind wie bei unseren Ladies-Treffen mit Ideensuche und Fragestellungen oder auch eine dynamische Veranstaltung wie die Meet & Eat Abende. Kern des Ganzen ist, dass Essen verbindet.
Eine Gaumenfreude wird verbunden mit neuen Eindrücken von Menschen, die man gerade kennen lernt. Da ist einfacher als eine Party, auf der es nur etwas zu trinken gibt. Da hält sich dann jeder an seinem Glas fest und das war’s. Doch beim Essen hat man was zu tun, kann zuhören was die anderen sagen und kann dann etwas beitragen, wenn es passt. Das Tun des Essens macht alles irgendwie leichter und entspannter.
Außerdem macht Essen zufrieden. Es ist das Gegenteil des Gefühls von Hunger, bei dem wir meistens unleidlich sind.
Nicht umsonst wird bei Firmenveranstaltungen ein Catering gereicht, weil man weiß, dass Essen versöhnlicher stimmen kann und man erreichen möchte, dass alle sich wohl fühlen.
Essen verbindet
Bei Festen wie Hochzeiten oder Jubiläen spielt das Essen eine große Rolle. Genauso wie bei einem Leichenschmaus. Als meine Mama verstorben ist, wusste ich sofort, wo wir nach der Beerdigung zum Essen gehen werden. In ihr Lieblingsrestaurant, zum Blaas.
Das ist ein Lokal kurz nach der Grenze zu Österreich. Dort hat man einen wunderschönen Blick auf das Dreiflüsseeck von Passau. Die Spezialität dort sind Palatschinken in großer Auswahl. Meine Mama liebte Palatschinken und hat sich dort so wohl gefühlt.
Als wir nach der Beerdigung dort hin gefahren sind, war es wie eine Hommage an sie. So wurde das Essen, das zu einem traurigen Anlass stattfand, zu einem verbindenden Element mit ihr. Es war nicht irgendein Lokal oder irgendein Essen. Es war ihr Lieblingsrestaurant mit Gerichten, die sie gern mochte.
Dort war meine Familie versammelt, meine Freunde, Verwandte von meiner Mama. Alle unter einem Dach beim gemeinsamen Essen. Das hat mir das Gefühl von Verbundenheit gegeben. Genauso wie ich das an dem Tag so sehr gebraucht habe. Das hat die Trauer nicht geringer gemacht, doch es hat mir gezeigt, dass ich Menschen habe, die mein Leben teilen und die mit mir diesen Weg gehen.
Dass dort an den Tischen auch gelacht wurde, machte die Trauer ebenfalls nicht kleiner, sondern es hat gezeigt, dass das Leben viele Facetten zu bieten hat. Dass Lachen neben Tränen existieren kann.
Schaffe Raum für Gespräche
Wenn wir gemeinsam Essen, schaffen wir Gelegenheiten. Gelegenheiten für interessante Gespräche, Gelegenheiten für neue Impulse von Menschen die wir gerade erst kennen lernen. Gelegenheiten für Verbindungen.
Sei es am Familienesstisch mit der Frage: Was war dein Hoch und was war dein Tief heute? Ob im Freundeskreis mit Mini-Brainstormings, um Ideen für andere zu finden.
All das lässt sich auch auf Businesskontexte übertragen. Ja, dort könnte man die Frage nach dem Hoch und nach dem Tief ebenfalls einstreuen. Das werden super spannende Gespräche. Denn dadurch lernen wir mit ein paar Sätzen über der Tomatensuppe, soviel von unserem Gegenüber. Wir lernen die Menschen dadurch auf einer anderen Ebene kennen.
Einer Ebene, die uns zeigt, dass wir alle nicht perfekt sind. Dass wir alle mit Ereignissen und unvorhergesehen Geschehnissen zu kämpfen haben. Dass wir menschlich sind.
Gemeinsam das Brot brechen hat eine lange Tradition. Vielleicht ist es das Ritual schlechthin, dass es am längsten unter uns Menschen gibt.
Wie hältst du es in deinem Leben mit dem gemeinsamen Essen? Was sind deine Stories dazu? Erzähl mir doch davon und schreib mir eine eMail an info@wissensagentur.net
Melde dich auch gern wenn dich das Format meet & eat interessiert.
Essen, jeden Mittag! Familienritual und heilig! Auch wenn das so mancher nicht immer glauben kann und versucht, uns übers Handy zu erreichen, weil am Festnetz der AB ans Telefon geht.
Am Wochenende setzen wir einen drauf: Vor das gemeinsame Essen setzen wir das gemeinsame Kochen.
Lebensmittel zu verarbeiten ist eine der ursprünglichsten Tätigkeiten der Menschheit und kann ungemein verbindend sein und das gemeinsam zubereitete Mahl schmeckt umso besser!
Herzlichst
Birgit
Dem kann ich mich nur anschließen:
Gemeinsam essen, möglichst dreimal am Tag. Weil´s die Laune hebt und die Verbundenheit stärkt. Mal abgesehen davon, daß es den Tag so angenehm strukturiert.
Besonders schön: Wenn zwei Haushalte ihre gerade nicht besonders üppigen Vorräte zusammenwerfen und daraus gemeinsam ein opulentes Menü kreieren.
Was heutzutage auch geht, wenn mensch allein zuhause ist: Via skype an zwei Orten kochen und klönen.
Viel besser als alleine lustlos auf dem Brotkanten rumkauen.
Guten Appetit!
Karin
@Birgit
Das mit dem gemeinsam kochen ist natürlich noch schöner :-) Und ich find’s auch schön zu wissen, wenn jemand anderem diese Zeiten so heilig sind.
@Karin
Hey die Idee via Skype zu kochen, ist ja voll der Hit! Witzige Idee, kannt ich bisher nur mit gemeinsam putzen :-)
…Gemeinsam putzen, das kannte jetzt ich noch nicht… auch noch ne Idee! Merci!
Also gemeinsam putzen via Skype hat wegen dem Headset nur einen begrenzten Aktionsradius *zwinker* – es sei denn, es ist ein kabelloses Headset..
und zum gemeinsamen Kochen via Skype bräuchte ich dann entweder ein Laptop oder eine Kochplatte im Büro *witzige Vorstellung, Nudeln kochend vor dem Computer zu sitzen*
Schön auf den Punkt gebracht!
Auch wenn es durch den unterschiedlichen Tagesablauf der einzelnen Familienmitglieder oft schwierig ist, so sollte man doch versuchen, wenigstens einmal am Tag gemeinsam bei Tisch zu sitzen.
In der Regel lässt sich das am besten am Abend bewerkstelligen. Das gemeinsame Essen ist heute während eines hektischen Tages oft die einzige Möglichkeit, um sich untereinander auszutauschen. Aber auch das „Wir-Gefühl“ wird damit gefördert.
Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass bei Kindern, in denen das gemeinsame Essen in der Familie gepflegt wird, weit aus seltener Essstörungen auftreten, als in jenen ohne dieses “Ritual”.
@Bernd
Danke dir für den Hinweis auf die seelischen Zusammenhänge. Da Ess-Störungen sehr häufig einen systemischen Hintergrund haben, passt das natürlich wie Faust auf’s Auge.
Die fooding-generation bringt eine Konzentration auf die Qualität des Essens auf den Tisch, die dem wirklichen Miteinander kaum mehr Zeit lässt. Essen ist ein soziales Moment, und sollte nicht als Zweck in sich selbst begrenzt sein. Ich versuche hier in Frankreich aus dem Fooding-wahn wieder herauszufinden und schlage altherkömmliche Rezepte zum Miteinanderkochen und Zusammensein vor. Wo auch für viele Gäste und wenig Geld der Tisch gut gedeckt ist (anstatt umgekehrt) und Zeit zum Miteinander wichtiger ist als das Food. Ein gemeinsamer Tisch mit Freunden, wo jeder was mitbringt, man zusammen kocht und immer noch ein Platz frei ist, kann ein sehr schönes Erlebnis sein!
@Ulrike
Den Begriff kannte ich noch garnicht. Wieder was gelernt. Ich find das auch am Schönsten, wenn einfach viel Zeit und Raum ist für Gespräche, Lachen und Interessantes. Mir ist auch wie dir das einfache Essen in so einer Runde viel wichtiger als aufwendige Gänge-Küche.