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Wir sind nicht auf der Welt, um andere glücklich zu machen. Diesen Satz hatten wir schon öfter. Er ist nach wie vor wahr. Wir sind nicht auf der Welt, um andere Menschen glücklich zu machen.
Wir sind auch nicht auf der Welt, um auf Kosten anderer glücklich zu sein. Das ist nicht die korrekte Schlussfolgerung. Wir sind auf der Welt und verantwortlich dafür, dass wir selbst glücklich sind. So wird ein Schuh draus. Das war die Reise in das Land der Selbstverantwortung.
Der heutige Beitrag schließt sich all diesen Gedanken an. Denn daraus folgt eine Konsequenz die vielen Menschen nicht leicht fällt. Und es ist auch völlig in Ordnung, dass es uns nicht leicht fällt, nichts destotrotz dürfen wir uns nicht von unseren Gefühlen davon abhalten zu lassen:
Wir müssen lernen, andere Menschen zu enttäuschen.
Puh, was für ein Satz. Wir müssen lernen, andere Menschen zu enttäuschen. Das ist nicht einfach. Vor allem, wenn es Menschen sind, die einem wichtig sind und am Herzen liegen.
Doch wenn wir unser ganzes Leben lang versuchen zu vermeiden andere Menschen zu enttäuschen, werden wir auf zwei Phänomene stoßen: Erstens, wir werden trotzdem Menschen enttäuschen und zweitens wir enttäuschen uns selbst.
Photo by Milan Popovic on Unsplash
Du wirst immer jemanden enttäuschen
Lass uns mal einen genaueren Blick auf die beiden Punkte werfen.
Wir können nicht verhindern, dass wir Menschen enttäuschen. Warum? Weil wir nicht in deren Kopf stecken und nicht wissen können, was für ein Bild von der Welt sie sich gemacht haben und was sie sich von uns erwarten.
So lange wir noch keine Gedanken lesen können, werden wir Menschen enttäuschen. Und auch wenn uns das von manchen vorgeworfen wird, ob ganz offensichtlich oder eher durch die Blume, ändert das nichts an der Tatsache, dass es nicht unser Job ist, andere Menschen zufrieden zu stellen.
Das Wort Enttäuschen ist ein interessantes Konstrukt. Ent-Täuschen = Eine Täuschung hört auf. Etwas, das ich mir so und so vorgestellt hatte, stellt sich als Trugbild heraus.
Wir selbst sind oft jeden Tag ein wenig enttäuscht. Wir hatten uns gedacht, dass heute schönes Wetter ist. Pustekuchen, es regnet. Eine Täuschung hört auf. Unsere Vorstellung war nur ein Wunsch und nicht bestellte Realität.
Es ist Teil unseres Lebens, dass wir enttäuscht werden und dass wir enttäuschen. Manches Mal wird mehr schmerzen als ein anderes Mal. Je nach dem wie versessen wir darauf waren, dass unsere Vorstellung Wirklichkeit sein muss.
Wieder mal etwas, was du nicht in der Hand hast.
Du enttäuscht dich selbst
Gut, wenn wir also wissen, dass wir ohnehin immer wieder Menschen enttäuschen werden, dann können wir genauer hinschauen, wo wir uns besonders verbiegen, um das ja zu verhindern. Und uns dann die Frage zu stellen, ob es das wirklich wert ist.
Denn hier kommt der zweite Punkt ins Spiel: Wenn wir uns ständig darum bemühen, die Vorstellung anderer Menschen nicht zu zerstören und deren gewünschten Bilder real werden zu lassen, ist die große Frage, was eigentlich mit unserer Vorstellung ist.
Wenn wir stets danach trachten andere nicht zu enttäuschen, werden wir einen Menschen mit Sicherheit am häufigsten enttäuschen: uns selbst.
Wer sich dabei ertappt sich immer zu fragen, wie es denn die anderen wohl gern hätten, der lebt davon sich das Wohlwollen anderer zu verdienen. Wie ein dressiertes Hündchen das hofft, ein Leckerli zu bekommen, wenn es brav Männchen macht.
Das mag ein krasser Vergleich sein, doch oft habe ich den Eindruck, dass Menschen für andere metaphorisch durch Reifen springen, um ihnen ja nur alles recht zu machen.
Wo das herkommt, hat verschiedene Quellen. Unsere Erziehung ist davon ein Baustein, all unsere Erlebnisse die wir mit anderen hatten, prägen uns genauso in dieser Hinsicht.
Weißt du noch, was du brauchst?
Doch wenn wir das konsequent bis zum Ende durchdenken, wo landen wir dann? Wenn wir unser Augenmerk stets darauf richten, dass wir andere nicht enttäuschen? Richtig, wir verlieren uns selbst vollkommen aus dem Blick.
Wir wissen oft gar nicht mehr, wie WIR es denn gern hätten. Was uns in dieser Situation wichtig wäre, was für ein Verhalten das wäre, mit dem wir uns integer gegenüber uns selbst fühlen würden.
Wenn wir all unser Wohlgefühl ständig an andere abgeben und von deren Verhalten abhängig machen, dann verlieren wir uns.
Menschen die gelernt haben, dass es dazu gehört andere zu enttäuschen, erscheinen uns oft unbequem und fast schon egoistisch. Wie kann man nur so rücksichtslos sein? Wieso können die nicht mal nachgeben? Wieso macht die so oft eine Extrawurst?
Alles Verhalten, das gegen die Konformität verstößt, ist auffällig und verdächtig. Doch wenn wir genauer hinschauen, bei Menschen die in sich ruhen und einfach auf dem beharren, was ihnen wichtig ist, werden wir feststellen, dass es keineswegs absichtsvolle Rücksichtslosigkeit ist, sondern ein ganz klares Erkennen dessen, was jetzt gerade für sie wichtig ist. Was mit ihrem Inneren übereinstimmt, was diesen Menschen das Gefühl gibt mit sich in Einklang zu sein.
Sie erkennen ihre Bedürfnisse und können abwägen, wann es wichtig ist, dass sie diese Bedürfnisse befriedigen. Das muss keineswegs immer und zu jeder Zeit sein. Jedoch zu Zeiten, in denen sie spüren, dass sie sich selbst jetzt nicht übergehen dürfen.
Denn das ist es, was wir tun, wenn wir um jeden Preis andere nicht enttäuschen wollen. Wir übergehen uns selbst. Wir lassen uns im Stich. Wir sind nicht loyal uns gegenüber, aus Angst eine Loyalität von anderen zu verlieren, die möglicherweise nur ein Illusion ist.
Kannst du dich auf dich verlassen?
Du wirst Mut und Kraft nur in dir finden. Du wirst dich selbst als souverän erleben können, wenn du dich auf dich verlassen kannst. Und das wiederum wird dir nur gelingen, wenn du deine Bedürfnisse nicht ständig zurückstellst und dich damit unwichtiger machst wie andere.
Es geht nicht darum wichtiger zu sein als andere, sondern es geht darum, dass du GENAUSO wichtig bis wie andere. Und wenn man sich auf dieser Ebene befindet, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig, als zu lernen andere zu enttäuschen.
Was du dabei gewinnst, ist Respekt von Menschen, die erleben, dass du deine Grenzen wahrst und deine Bedürfnisse respektierst. Das kann ansteckend sein und anderen helfen, sich das ebenfalls zu trauen.
Was du ebenso dabei gewinnst, ist das Gefühl und Erleben, dass du deine Bedürfnisse ernst nimmst und dich um dich selbst kümmerst. Unterschätze das nicht. Wer gelernt hat sich um sich selbst zu kümmern, wird mit den Widrigkeiten des Lebens weitaus besser zurecht kommen.
Denn wer gelernt hat andere Menschen zu enttäuschen, wird es besser verstehen und wegstecken, wenn ihm das ebenfalls passiert und man selbst enttäuscht wird.
Du lernst, dass es ein ganz normaler Teil des Lebens ist. Man muss deswegen auch niemandem die Freundschaft aufkündigen. Denn enttäuscht werden bedeutet im ersten Moment nur, dass eine Vorstellung, die man sich selbst gemacht hat, ein Trugbild war. Die Täuschung hört auf.
Lerne mit Enttäuschungen umzugehen
Das kann schmerzhaft sein, das stimmt. Doch es hilft auch nichts zu hadern und zu granteln, dass man es lieber anders gehabt hätte. Das mag alles wahr sein, doch die Realität ist so wie sie jetzt gerade ist.
Wenn du lernst dich schneller von einer Enttäuschung zu erholen, kannst du auch schneller mit den jetzigen Gegebenheiten lernen umzugehen.
Wenn du lernst andere Menschen zu enttäuschen, wirst du dich stärken, weil du weißt, dass du nicht um jeden Preis andere wichtiger nimmst als dich.
Was fühlen wir eigentlich, wenn wir andere enttäuschen? Sehr häufig ist es die Angst vor Ablehnung, Ausschluss, Verlust der Zuneigung usw.
Wir haben Angst, dass wir die Verbindung zu diesem Menschen verlieren. Und ja, es kann sein, dass jemand erst mal auf Distanz geht, wenn er sehr enttäuscht ist. Das ist vollkommen normal. Doch davon geht die Welt nicht unter, auch wenn es sich so anfühlen mag.
Wenn wir uns selbst mit Menschen umgeben, die sich gut um sich kümmern, dann wirst du erleben, dass die Welt wieder viel schneller in Ordnung ist als du denkst.
Sollte es wegen Kleinigkeiten sehr schnell einen großen Bruch in Freundschaften geben, dann solltest du diese Verbindung generell für dich unter die Lupe nehmen.
Reife = Stärke und Halt in sich selbst finden
Reife Menschen wissen, dass Enttäuschungen zum Leben gehören und nichts sind, was man ewig mit sich herumtragen muss. Jemanden zu enttäuschen ist selten absichtlich, wenn es sich um zwischenmenschliche Beziehungen handelt, in denen man sich wichtig ist.
Doch das passiert. Das Leben passiert.
Du wirst es überstehen, wenn jemand verletzt reagiert, weil du ihn enttäuscht hast. Nimm das nicht als Schuldschein auf dich.
Wie jemand anderer sich fühlt, hast du nicht in der Hand und es gehört auch nicht in deine Hand. Du hast genug damit zu tun, deinen Gefühlshaushalt gut im Griff zu behalten.
Wer sich zu sehr anpasst, macht sich unglücklich und verliert sich. Daher ist es für mich unabdingbar, dass du dich der Tatsache stellst lernen zu müssen, andere zu enttäuschen. Du gewinnst damit Vertrauen in dich, dass du weißt, du kannst auf dich zählen. Das wird dich stark machen und dich auch dabei unterstützen es auszuhalten, wenn du selbst enttäuscht wirst.
Denn es hört deine Täuschung auf. Du hattest dir ein Bild gemacht. Dieses Bild zerspringt. Die Wirklichkeit ist wie sie jetzt gerade ist. Das ist eine deiner Lernaufgaben und das ist die Lernaufgabe, die du anderen zumuten solltest, wenn du sie enttäuschen musst.
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Der Artikel spricht viel Wahres aus und regt zum Nachdenken an. In einer aktuellen Enttäuschungssituation bin ich immerhin so weit, objektiv zu wissen, dass Menschen, Prioritäten, Freundschaften sich ändern.
Subjektiv bin ich aber leider immer noch sehr traurig, dass das so ist.
Danke und Gruß