Wie fängt man das bloß an, mit der „richtigen” Selbstorganisation?
Um die Dinge geregelt zu kriegen, alles schnell finden was man sucht und jederzeit den Überblick zu behalten?
Wer vor seinem Berg täglicher Arbeit sitzt oder gar von einer Lawine an Papierkram überrollt wird, hat oftmals keine Ahnung, wie das funktionieren soll.
Um wenigstens irgendwas zu machen, machen wir daher häufig einfach mehr vom selben, sprich wir wursteln uns durch unseren Tag.
Doch es ist ja nicht so, dass wir nicht wüssten wie’s geht.
Uns ist vollkommen klar, ein Wochenplan würde uns schon mal ein Geländer an die Hand geben.
Oder die Dinge blockweise abzuarbeiten würde uns helfen, im Rhythmus zu bleiben.
Nicht ständig nach neuen eMails zu schauen und die ganzen Benachrichtigungen abstellen, würde unsere Aufmerksamkeit bündeln.
Eine Prioritätenliste für den Tag aufzustellen, würde uns beim Wesentlichen bleiben lassen.
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Was hält uns davon ab Dinge zu erledigen?
Hm, und wieso funktioniert das dann trotzdem nicht?
Wieso halten wir uns nicht dran?
Die Gründe dafür sind meiner Erfahrung nach so vielfältig, wie es die Menschen sind, die dahinter stehen.
Mir ist nur eine Sache aufgefallen, die bei vielen Resonanz erzeugt (mich eingeschlossen) und vielleicht ist das auch ein Gedanke für dich:
Sehr vieles, was auf uns einströmt, ist nicht unbedingt auf unserem Mist gewachsen, d. h. es wird von außen an uns herangetragen und wirkt damit auf uns fremdbestimmend.
Wer angestellt arbeitet wird dieses Gefühl — wie einige Studien zeigen — noch mehr empfinden als Freiberufler und Selbständige.
Doch solange wir mit der Fülle umgehen können und die Arbeit (einigermaßen) sinnvoll einstufen, werden wir es zwar nicht immer toll finden, doch weiter durchziehen.
Aber irgendwann kann es durchaus sein, dass der Punkt erreicht ist, an dem wir uns durchgängig fremdbestimmt fühlen und erleben.
Spätestens dann kippt auch unsere Stimmung.
Was passiert in diesen Momenten in uns?
Es ist ein Gefühlscocktail den das Unterbewusstsein in uns auskippt.
Von völlig genervt sein, über richtig grantig werdend bis zu Hilflosigkeit und Resignation. Such dir was aus.
Was wir machen, wenn wir uns fremdbestimmt fühlen
Wenn du genauer hinschaust, was du in diesen Momenten beginnst zu tun, könnte das durchaus das Gegenteil von arbeiten sein.
Wir schauen — nur mal eben schnell — ob neue Mails vorliegen, surfen ein wenig, gehen mal zum Kollegen rüber usw. usw. usw. Und das in immer kürzeren Zeitintervallen.
Warum tun wir das?
Ganz einfach, weil wir dabei selbstbestimmt handeln und uns damit das Gefühl verschaffen, wenigstens für fünf Minuten mal selber zu entscheiden, was wir tun.
Es ist nun nicht so, dass das immer bewusst abläuft und im Prinzip ist das eine sehr gesunde Reaktion, um einer überwältigenden Fremdbestimmung etwas entgegenzusetzen.
Das Blöde ist nur, dass wir am Ende des Tages erleben, dass das, wir erledigen wollten, wieder nicht geschafft ist.
Wir zerpflücken unseren Tag eigenhändig in viele kleine Zeiteinheiten, hopsen von einem Arbeitsschritt zu einem komplett anderen und machen zwischendurch noch etwas, was uns weiter ablenkt.
Wenn dieser Prozess schon sehr fortgeschritten ist, werden wir uns umso schwerer tun, mit den oben genannten Ansätzen wie Pläne machen, Blöcke bilden usw. umzugehen und sie in unseren Alltag zu integrieren.
Da wir zu diesem Zeitpunkt genau diese Hilfsmittel ebenfalls oft als Fremdbestimmung empfinden, unter dem Motto, „alle sagen, nur so kann ich das alles bewältigen und ich hab jetzt absolut keine Lust schon wieder das zu tun, was alle anderen meinen.”
Irgendwann sind wir schmerzbefreit
Was ebenfalls interessant ist: Auch wenn wir wissen, was uns blühen kann, wenn wir diesen Termin nicht einhalten, jene Arbeit nicht in dieser Form beenden etc. nehmen wir das irgendwann in Kauf.
Nicht unbedingt bewusst, es passiert uns eher. Es geraten die Anteile in uns, die für Pflichterfüllung zuständig sind, in einen ständigen Konflikt mit den Anteilen in uns, die uns aus der Fremdbestimmung leiten möchten.
Was können wir tun?
Was wir am dringendsten in diesen Situationen benötigen, ist das Gefühl der Selbstbestimmung.
Will heißen: Wir sagen, wo’s lang geht.
Gleichzeitig sollten wir eine Möglichkeit finden, alles, was so in unserem Kopf herumschwirrt und uns beschäftigt, irgendwo zu parken und damit wieder fokussierte Aufmerksamkeit möglich zu machen.
Zwei Prinzipien mit denen du durch chaotische Zeiten kommst
Ich kenne diesen ganzen Schlamassel nur zu gut. Denn es gibt auch in meinem Leben immer wieder mal Zeiten, in denen strömt soviel ein, dass das System wie ein verstopfter Gully überzulaufen droht.
Um davon nicht komplett überwältigt zu werden habe ich nach einer simplen Strategie gesucht, die für mich in solchen Zeiten (idiotensicher) funktioniert. Eben weil ich dafür nicht viel überlegen muss und es schnelle Entscheidungen bringt.
Was dabei heraus gekommen ist, ist mein täglicher TT und die ohGott-ohGott-Liste.
Wenn du jetzt schon mal ein wenig schmunzeln musst, ist das bereits ziemlich gut. Denn ich weiß nicht, wie es dir geht, ich bin in solchen Zeiten um jeden Funken Humor froh.
Dein TT
Um als erstes das TT mal zu erklären: Diese Abkürzung steht bei mir für Thema des Tages.
Wenn ich merke, wie ich zwischen verschiedenen Themen hin- und her schieße und mich arg verzettel, dann ist das meine wichtigste Frage:
Was ist heute Thema des Tages?
Das bedeutet konkret, ich mache mir in diesen Situationen keine großartigen Prioritätslisten, sondern ich konzentriere meinen Fokus auf mein Thema des Tages. Meinen TT.
Diese Frage lässt sich, wenn wir ehrlich hinschauen, einfach beantworten und das kannst du mit Sicherheit ebenso. Es gibt immer etwas, das absolut Vorrang hat.
Ob das nun eine Aufgabe ist, die uns gefällt, ist wieder eine ganz andere Frage. Doch du weißt mit Gewissheit: Das ist mein heutiger TT.
Du kannst dir diese Frage als erstes morgens stellen, bevor du auch nur den Stift in die Hand nimmst und zu arbeiten beginnst.
Was ist dein heutiger TT?
Dadurch bestimmst du wieder selbst. Du entscheidest was jetzt gemacht wird.
ohGott-ohGott-Liste
Damit kommen wir auch schon zu meiner ohGott-ohGott-Liste.
Die heißt jetzt keineswegs so, weil sie einen religiösen Hintergrund hat.
Nö, der Titel kommt daher, dass mir während chaotischen Zeiten immer wieder mal Themen durch den Kopf schießen, die ich vergessen, verschoben, verpennt, noch offen habe etc.
Dabei wird mir meistens für einen Moment siedend heiß und ich denke „ohGott-ohGott das habe ich ja völlig vergessen (muss ich ja auch noch machen) usw.”
Da war die Idee für diese Liste geboren.
Es stehen meist mehr unangenehme Dinge drauf, als solche die ich liebend gern mache, denn die vergessen wir ja eher selten.
Diese Liste nutze ich dazu, um ein Auffangbecken für diese Gedanken zu haben. Wenn’s erst mal da drauf steht, kann ich an meinem TT weitermachen.
Diese Liste könnte mich natürlich auch runter ziehen, da sie manches Mal ganz schön lang wird. Doch da hilft ein Blick auf den Titel, den ich immer groß und deutlich drüber schreibe.
Wenn ich dann wieder ohGott-ohGott-Liste lese, muss ich meistens schon schmunzeln und mir wird wieder bewusst, dass die Welt nicht untergehen wird, wenn ich nicht alles schnellstes erledige, was da drauf steht.
Klar sind die Punkte die auf der Liste zu finden sind oft brandeilig und hätten längst fertig sein sollen.
Doch wenn mein heutiger TT nicht dabei ist, dann darf die Liste einfach mal Liste sein und ich kümmere mich nicht weiter drum.
Denn ich kann’s jetzt grad nicht ändern. Ich habe mir die Frage nach meinem TT beantwortet und arbeite ihn ab.
Sollte dann Zeit sein, dann stelle ich mir die Frage erneut und vielleicht ist dann eines der Themen meiner ohGott-ohGott-Liste dran. Dann wird das zu meinem TT und die Liste darf wieder ruhen.
Kopf über Wasser und an Land schwimmen
Beide Tools halten mich in chaotischen Zeiten über Wasser und sind in den ruhigeren Zeiten ebenfalls nützlich.
Wenn’s wieder geordneter wird, dann greifen auch wieder alle anderen Systeme.
Wer gerade erst dabei ist, für sich Selbstorganisation umzusetzen, kann gut und effektiv mit diesen beiden Werkzeugen beginnen. Das reicht für’s erste oft.
Mach das mal ein, zwei Wochen.
Frag dich jeden Tag nach deinem heutigen TT. Beginne deine persönliche ohGott-ohGott-Liste, die vielleicht bei dir auch einen ganz anderen Namen bekommt.
Wenn sich das eingespielt hat, kannst du weitere Routinen installieren. Doch wenn’s zu viel wird, immer wieder zurück zur Basis.
Deine Gewohnheiten bestimmen deine Zukunft
Unsere Produktivität ist immer nur so gut, wie die Gewohnheiten die wir pflegen. Vor allem in anstrengenden Zeiten brauchen wir ein Minimum. Die kleinste Einheit die irgendwie noch schaffbar ist.
Was bedeutet, dass dein System elastisch sein sollte.
Wenn mal nichts zu klappen scheint und du aus deinen Routinen raus kippst, dann bedeutet das nicht, dass du versagt hast. Sondern dann können dir diese Base-Line-Gewohnheiten helfen, zumindest einen kleinen Schritt zu machen, der dir hilft.
Wichtig ist, dass wir das System zumindest auf Sparflamme am Laufen halten. Mit der Perspektive, dass wir wieder Fahrt aufnehmen können, wenn es ruhiger wird.
Schaff dir daher dieses Fallback System für dich und freu dich über diese kleinen, manchmal winzigen Schritte.
Sie sind es, die dir ermöglichen größere Schritte zu machen, wenn wieder mehr Luft und Energie da ist. Denn durch die kleinen Schritte bleibst du unterwegs.
In Bewegung bleiben ist der Schlüssel
Wenn du damit in Bewegung bleibst, ist das viel einfacher wieder in Schwung zu kommen, als wenn du ganz stehen bleibst.
Damit du für dich daraus positiven Nutzen kannst, ist wichtig, wie du darüber denkst.
Honoriere deine kleinen Schritte als den Aspekt, der dir erlaubt vorwärts zu kommen.
Schau nicht auf die Strecke, sondern darauf, dass du in Bewegung bist.
Schau auf das Fortsetzen des Prozesses und nicht auf das unmittelbare Ziel das du schaffst.
In schwierigen Zeiten ist es so viel entscheidender, dass wir lernen dran zu bleiben.
Wenn du dich als jemand erlebst, der es schafft ein Minimalprogramm am Laufen zu halten, schenkst du dir das Gefühl, dass du jemand bist, der es hinkriegt.
So, ich muss nur grad eben mal den Stapel hier zur Seite schieben, damit ich an die Tastatur komme, momentchen noch…. schieb… wucht, autsch, ein Buch heruntergefallen…;
… so jetzt kann ich was schreiben.
Absolut genial! Ich hab nämlich grade eben genau so einen multidimensionalen Stapel vor mir aufgehäuft mit lauter ogottogottogott-Dingen, die irgenwie auch noch alle gleichzeitig “hier” schreien” (bei dieser Menge klingt es dann wie ein bedrohlicher Hornissenschwarm, der in meinem Büro murmelt…) – und es könnte soo einfach sein.
Mein Thema des Tages ist heute der Geburtstag meiner Freundin (*Geschenk fertigmachen*) und der Vorspielabend meines Sohnes (*rechtzeitig abholen*). Punkt.
Alles andere kommt jetzt auf die OGOG-Liste. Super. Und ich wüsste ehrlich gesagt keinen besseren Namen, denn genau diese Phrase läuft identisch in meinem Hirn ab, wenn ich wieder mal an etwas liegengebliebenes oder vergessenes hintappe.
Gute Idee, kommt dieser Tage wie gerufen, denn hier türmen sich die Dinge. Tausend Dank an Dich, Alexandra!
Deine Abkürzung OGOG-Liste ist ja genial! Hab ich sofort gekauft :-) Und es freut mich natürlich sehr, wenn die Tools so schnell Früchte tragen.
Ich bin so frei und verlinke mal zu meiner Instant-Sofort-Umsetzung: http://tinyurl.com/4oyr4x
LG, Claudia
Ich arbeite von früh bis spät selbstbestimmt, mehrheitlich an eigenen Projekten. Die Honorarjobs sind vergleichsweise leicht zu schaffen, denn da findet keine innere Diskussion über deren Wichtigkeit statt, sondern es gibt klare Termine.
Beim großen Rest, dem komplett selbst bestimmten Tun, ist das anders. Da kann ich mich locker verzetteln, ablenken, in spontan auftretender Lustlosigkeit verharren – wohl wissend, dass sie vorüber geht, sobald ich mich wirklich einer Sache zuwende. Und doch hab ich dazu öfter mal einfach keine Lust…
Die “drei wichtigen Tagesaufgaben” sind mir ein gutes Mittel, tatsächlich was wegzuschaffen. EIN Tagesthema wär zuwenig, dadurch würde ich nichts verbessern, denn EINE WICHTIGE SACHE kriege ich morgens meist bestens hin. Das Problem fängt erst an, wenn das Gefühl, was geschafft zu haben, schon da ist.
@Claudia Klinger
Da kann man nur gratulieren, dass es bei Ihnen so sehr selbstbestimmt zugeht :-)
Der TT ist auch dazu gedacht, um in die Selbstbestimmtheit und Selbstorganisation immer wieder hineinzufinden, aus der viele von uns doch immer wieder herausfallen. Alles was dann in diesen Zeiten darüber noch geht, ist dann schon ein “Zuckerl”.
Und aufstocken lässt sich dann selbstverständlich immer.
Hallo,
also ich habe die Erfahrung gemacht, dass der erste Schritt der schwierigste ist. Ich meine damit das erstmalige Aufraffen, eine Aufgabe zu starten. Wenn man dann erstmal bei der Sache ist, geht es eigentlich recht flott…
Gemäß dem Prinzip: “Der erste Schritt ist die Mutter des Weges”
@ Das ist wahr, kann ich voll bestätigen. Und davor steht die Entscheidung bei welchem Projekt ich denn beginne…
BTW: der Spruch ganz unten ist klasse :-)
#refresh: Selbstorganisation – Ihr täglicher TT und die ohGott-ohGott-Liste http://t.co/fWC40piPGH
#GTD
Selbstorganisation – Ihr täglicher TT und die ohGott-ohGott-Liste: http://t.co/NW9jNbxtNA